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Kürzere Schulzeit benachteiligt Schüler mit geistiger Behinderung

15.09.2016

Kürzere Schulzeit benachteiligt Schüler mit geistiger Behinderung

Mühltal.- Ab 2017 soll in Hessen die Schulzeit für Jugendliche mit geistiger Behinderung früher enden. So will es ein neuer Erlass des Hessischen Kultusministeriums. Die Eltern von Kindern und Jugendlichen der Wichernschule der Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD)  in Mühltal befürchten massive Nachteile für ihre Kinder und haben sich in einem Schreiben an Kultusminister Alexander Lorz gewandt.

Nur noch zwölf statt möglicher 14 Schuljahre für SchülerInnen mit geistiger Behinderung? Der Schulelternbeirat zeigte sich schockiert von dieser Nachricht, die die Eltern kurz vor Beginn der Sommerferien erreichte. Sie verlangen, dass die Option einer Schulzeitdauer bis zu 14 Jahren für SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung erhalten bleibt. Diese dürften nicht mit RegelschülerInnen gleichgestellt oder ihnen gegenüber sogar benachteiligt werden.

Das derzeit noch gültige Schulgesetz sieht für Förderschulkinder mit geistiger Behinderung folgendes vor: Nach neun Regelschuljahren können weitere drei Schuljahre bewilligt und dann noch zwei weitere gestattet werden, wenn die individuelle Entwicklung dies erfordert. Für die Wichernschule der NRD hieß dies bislang konkret, dass die allermeisten SchülerInnen 14 Jahre in der Schule bleiben, einige wenige starteten nach zwölf oder 13 Schuljahren mit dem Übergang ins Arbeitsleben. „Dies sind aber maximal zehn Prozent unserer SchülerInnen“, so die stellvertretende Schulleiterin Silke Boysen, „und das hat seine Gründe.“

SchülerInnen mit geistiger Behinderung zeigen in der Regel umfassende Verzögerungen in ihrer Entwicklung. Sie benötigen zum Lernen generell mehr Zeit als gleichaltrige nichtbehinderte Kinder und Jugendliche. Boysen und ihr Kollege Hans-Jürgen Göbel betonen, dass es beim Lernen nicht nur um kognitive Fähigkeiten geht, sondern auch und gerade um Fähigkeiten im emotional-sozialen Bereich sowie um das Erlernen verantwortlichen Handelns und Schlüsselqualifikationen, die im späteren Arbeitsleben gebraucht werden: Ausdauer, Arbeitstempo, Konzentration, Flexibilität.

Gerade in den letzten Schuljahren gehe es um die Persönlichkeitsentwicklung: „Da findet dank intensiver pädagogischer Begleitung noch viel Entwicklung und Stabilisierung statt“, sagt Göbel, und er ist sich sicher: „Das ist mit einer um zwei Jahre verkürzten Schulzeit einfach nicht zu schaffen. Die vorhandenen Anschluss-Maßnahmen – in der Regel der Berufsbildungsbereich von Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) - sind nicht darauf ausgerichtet, die Arbeit von Sonderpädagogen zu übernehmen.“

 

Im Widerspruch zur UN-Konvention

Auch im Hinblick auf die UN-Konvention, die behinderten und nichtbehinderten Menschen die gleichen Rechte auf Bildung, Arbeit und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zusichert, ist eine verkürzte Schulzeit nicht hinnehmbar, sagt NRD Vorständin Brigitte Walz-Kelbel, die ebenfalls an den Kultusminister geschrieben hat.

Gerade Kinder und Jugendliche mit geistiger Beeinträchtigung sind zusätzlichen Belastungen ausgesetzt: Viele leben im Heim oder in wechselnden Pflegefamilien, viele haben häufige Schulwechsel hinter sich und müssen krankheitsbedingt lange Fehlzeiten in der Schule verkraften. All diese Kinder und Jugendlichen haben einen besonderen und längeren Bedarf an schulischer Bildung und Erziehung.

Die Wichernschule als staatlich anerkannte Privatschule mit derzeit 135 SchülerInnen hat im Landkreis  Darmstadt-Dieburg einen Versorgungsauftrag. Der neue Schulleiter Sven Löwenhardt betont, dass „ immer wieder auch SchülerInnen aufgenommen werden, die an anderen Schulen abgewiesen werden. Wie zum Beispiel der 18 Jahre alte Siggi* (Name geändert), ein ehemaliger Schulverweigerer, der eine lange Odyssee durch verschiedene Lernhilfe-Einrichtungen hinter sich hat. Seit zwei Jahren besucht er die Wichernschule. Hier wurde er aufgefangen, ist erstmals zur Ruhe gekommen und hat begonnen, Lerninhalte anzunehmen. Siggi* kommt im September in die 12 Klasse – nach dem neuen Erlass in sein letztes Schuljahr. Die Pädagogen der Wichernschule haben aufgrund ihrer Erfahrungen keine Zweifel: Wenn das sein letztes Schuljahr sein soll, ist ihm eine katastrophale Zukunft sicher.

Praktika in der Arbeitswelt, die gegen Ende der Schulzeit stattfinden, müssten die SchülerInen künftig in deutlich jüngerem Alter absolvieren, was wenig Sinn ergebe. Und die nationalen „Special Olympics“, an denen die Wichernschule seit vielen Jahren mit ihrer Fußball-Mannschaft teilnimmt – mit großen Erfolgen wie Silber und Gold-Medaillen – werden dann auch Geschichte sein, so Hans-Jürgen Göbel, der die Fußballer trainiert. Es bedürfe eines Klientels vom 10. bis zum 14. Schuljahr, um ein gutes Team zusammenzustellen, das sowohl die motorischen Fähigkeiten, als auch die geistige Reife besitzt, an einem großen Wettkampf teilzunehmen. Fast alle unsere SchülerInnen erlangten diese Reife erst im 13. oder 14. Schuljahr.

*Name geändert

                                                                                                                                       Marlene Broeckers



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