29.06.2018
Im Wohnverbund Mühltal wird zurzeit ein neues Angebot entwickelt: Betreutes Wohnen für Menschen mit Asperger-Autismus. Anfang 2019 soll eine Wohngemeinschaft für drei Personen an den Start gehen, und zwar im Haus Bodelschwinghweg 6, wo sich derzeit noch ein Büro des Betreuten Wohnens Mühltal befindet.
Schon seit längerer Zeit hat sich die NRD mit einem solchen Angebot befasst, denn es kommen viele Anfragen von Angehörigen, die erwachsene Kinder mit Asperger-Autismus haben. Einen kräftigen Schub bekamen die Überlegungen im vergangenen November, als Dr. Christine Preißmann beim Autismus-Fachtag in der NRD zu Gast war. Die Ärztin und Psychotherapeutin ist selbst Asperger-Autistin und seit 15 Jahren in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Heppenheim tätig.
Fachlicher Rat von Dr. Christine Preißmann
In ihrem Vortrag sprach Preißmann auch über die Wohnbedürfnisse von Menschen mit Autismus. Sie wünschten sich im Erwachsenenalter durchaus, eigenständig zu leben und zu wohnen, trauten sich dies aber oft nicht zu. Deshalb hält Christine Preißmann das Angebot eines Betreuten Wohnens für diesen Personenkreis für ein ideales Angebot.
Zu einem ersten Beratungsgespräch kam Christine Preißmann im Juni in die NRD, um sich mit den Mitarbeitenden auszutauschen, die für das künftige Angebot zuständig sein werden: Andreas Münch, Wohnverbundsleiter Mühltal, Christiane Fruh, Fachberaterin Betreutes Wohnen, und Ute Peemöller, Teamleitung im Betreuten Wohnen für Asperger-Autisten.
Von den räumlichen Bedingungen im Haus Bodelschwinghweg 6 zeigte Christine Preißmann sich angetan. Hier ist Platz für drei Einzelzimmer und gemeinschaftliche Aktivitäten. Es ist bekannt, dass viele Menschen mit Autismus klare Strukturen und eine reizarme Umgebung mögen. Preißmann erklärte jedoch, dass weiße Wände nicht zwangsläufig als angenehm reizarm erlebt werden, sondern könnten – je nach Lichteinfall – so gleißend wirken, dass man sich geblendet fühle.
Die Heilerziehungspflegerin Ute Peemöller berichtete von ihren bisherigen Kontakten zu zwei jungen Frauen, die voraussichtlich im nächsten Jahr einziehen werden. Sie hat sich mit den Frauen schon einige Male alleine getroffen und dies jeweils mit einer Aktivität wie wandern oder einkaufen verbunden. Dieses Vorgehen empfahl Christine Preißmann auch für ein erstes Kennenlernen der beiden potentiellen WG-Mitglieder: „Am Tisch sitzen und mit jemandem reden zu müssen, den man noch nicht kennt, das kann sehr schwierig sein.“
Gemischte WG okay?
Ist es in Ordnung oder eher nicht empfehlenswert, eine aus Männern und Frauen gemischte WG zu bilden? „Das spielt eigentlich keine Rolle“, erklärte Preißmann, „wichtiger sind ähnliche Interessen und am wichtigsten ein ähnliches Verhalten. Wenn eine Person sehr umtriebig und laut ist, eine andere aber sehr zurückhaltend und still – dann wird es schwierig.“ Sie empfahl außerdem, eine Gruppe zu bilden, deren Mitglieder etwa im gleichen Alter sind: „Dann gibt es eine höhere Übereinstimmung in den Themen und man kann gemeinsam etwas unternehmen.“
Wie viel Betreuung und Assistenz nötig sein dürften, dazu gebe es keine Antwort. Dies hänge absolut von der einzelnen Person ab. Auf jeden Fall sei es gut, regelmäßig einladende Angebote zu machen, auf die die BewohnerInnen dann nach Bedarf reagieren könnten. „Vielleicht kann man hinsichtlich des Assistenzbedarfs mit dem Kostenträger eine durchschnittliche Anzahl von Stunden vereinbaren, und dann Stunden, die nicht in Anspruch genommen werden, quasi ansparen für Phasen, in denen man einen höheren Bedarf hat“, so Preißmann. Denn es komme immer wieder vor, dass Krisen auftreten, zum Beispiel wenn sich in der näheren Umgebung und vor allem in der eigenen Familie etwas verändert. Dann könnte eine intensivere Begleitung nötig sein.“ Preißmann erklärte sich bereit, auch in Zukunft der NRD beratend zur Verfügung zu stehen.
Unser Foto zeigt (von lins nach rechts): Christiane Fruh, Andreas Münch, Dr. Christine Preißmann und Ute Peemöller
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