04.11.2025
Die Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie kämpft um den Erhalt eines besonderen Angebots in der Region.
„Meine Kinder haben hier schwimmen gelernt.“ – „Das warme Wasser ist für meinen Sohn mit Spastik eine echte Wohltat.“ – „Dank Lifter und Hubboden kann ich trotz meiner Einschränkungen an der Wassergymnastik teilnehmen.“ Das Bewegungsbad der Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD) ist für viele Menschen weit mehr als nur ein Schwimmbad. Seit Jahren gehört es zur unverzichtbaren Infrastruktur in Mühltal und Umgebung. Mit seinem klaren Fokus auf Schwimmenlernen, Inklusion und Gesundheitsförderung bietet es zahlreichen Menschen – von Familien mit kleinen Kindern bis hin zu Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen – eine geschützte, barrierefreie Umgebung für Bewegung im Wasser. Rund 37.000 Gäste haben das Bad allein im Jahr 2024 genutzt. Doch das beliebte Angebot steht vor einer ungewissen Zukunft.
Zentrale Herausforderung:
Betriebskosten und Preisentwicklung
Die steigenden Energie- und Instandhaltungskosten stellen das Bewegungsbad vor
große wirtschaftliche Herausforderungen. Um die Wasserqualität, Hygiene und
Temperatur konstant auf einem hohen Niveau zu halten, das beispielsweise für
Babykurse oder therapeutische Anwendungen erforderlich ist, sind hohe Ausgaben
notwendig. Auch die regelmäßige Pflege der technischen Ausstattung,
beispielsweise des höhenverstellbaren Hubbodens oder der barrierefreien
Anlagen, verursacht erhebliche Kosten. „Wir haben intern vieles optimiert und
gezielt investiert“, sagt Luzia Bleyer, Leiterin des NRD-Bewegungsbads. „Dennoch
lassen sich die Kosten bereits seit Längerem nicht mehr allein durch
Nutzungsgebühren decken.“ Und dies, obwohl sie bereits mehrfach erhöht werden mussten
– zuletzt Anfang 2025. Auch die Kooperationspartner*innen sahen sich gezwungen,
die gestiegenen Preise an ihre Kund*innen weiterzugeben.
Unverzichtbares Angebot für
die Region
Die Auslastung des Bads zeigt, wie wichtig es für die Region ist: Rund 1.000
Besucher*innen pro Woche, etwa 40 % davon aus Mühltal selbst, nutzen das
Bewegungsbad. Neben dem Angebot eigener Kurse, wie beispielsweise
„Aquacycling”, sind Schwimmkurse für Kinder besonders gefragt. Die sichere,
warme Umgebung des Beckens sowie der geschützte Rahmen tragen entscheidend dazu
bei. In Zusammenarbeit mit regionalen und überregionalen Anbietern wie „Kokoro
Swimfit“, „Delfish“ oder „Aquatraining“ finden jede Woche Schwimmkurse statt.
Die Nachfrage ist groß – nicht zuletzt aufgrund alarmierender Zahlen: Laut DLRG
können rund 20 % der sechs- bis zehnjährigen Kinder in Deutschland nicht
schwimmen – doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren.
Auch gesundheitlich
eingeschränkte Menschen sowie umliegende Förderschulen, wie die
NRD-Wichernschule oder die Steinrehschule, nutzen das Bad regelmäßig für
therapeutische Anwendungen. „Für viele unserer Schülerinnen und Schüler ist der
Aufenthalt im Bewegungsbad ein Highlight. Es fördert nicht nur die
Beweglichkeit, sondern sorgt vor allem für Entspannung und spürbares Wohlbefinden.
Wer motorisch dazu in der Lage ist, erlernt hier auch das Schwimmen",
erklärt Michael Schulze, Schulleiter der Wichernschule. Kerstin Cannon,
Schulleiterin der Steinrehschule, fügt hinzu: „Das Bewegungsbad ermöglicht
unseren Schülerinnen und Schülern, über die gesamte Grundstufenzeit hinweg
Erfahrungen im Wasser zu sammeln und sich zu sicheren Schwimmern zu entwickeln.
Aufgrund der Nähe können drei Klassen dieses Angebot nutzen.“
Partner äußern sich besorgt
Die Schwimmschule „Aktiv!“ bietet im Bewegungsbad der NRD Kurse für Kinder an.
Dort weiß man die einzigartigen Bedingungen zu schätzen. Die Kombination aus
warmen Temperaturen, Barrierefreiheit und geschützter Umgebung biete beste
Voraussetzungen für das sichere Schwimmenlernen. Auch von der Rheumaliga Hessen
e. V., die seit Jahren Funktionstrainingskurse im Bewegungsbad anbietet, kommt
ein eindringlicher Appell: „Unsere Teilnehmer*innen sind überwiegend Rentner*innen
oder Menschen mit geringem Einkommen. Viele von ihnen haben chronische Erkrankungen
oder befinden sich in der Rehabilitation. Sie profitieren enorm von den
speziellen Kursen im Wasser. Um die Qualität der Kurse zu gewährleisten, muss jedoch
eine maximale Gruppengröße eingehalten werden. Dies hat erhebliche Auswirkungen
auf die Kostenstruktur für die Teilnehmenden, da die Krankenkassen in der Regel
nur einen Teil der Kosten übernehmen.“ Auch für Mühltals Bürgermeister Niels
Starke ist das Bewegungsbad der NRD ein wichtiger Bestandteil in der
Gesundheits- und Freizeitversorgung: „Ich habe hier selbst meine ersten Schwimmerfahrungen
gesammelt und das Seepferdchen bei Frau Engelhard gemacht. Mühltaler Kinder
lernen hier seit Jahrzehnten das Schwimmen, eine Schließung wäre ein
unglaublicher Verlust für Mühltal“.
Wie geht es weiter?
Um das Bewegungsbad langfristig zu erhalten, ist Unterstützung notwendig. In
der Vergangenheit konnten durch gezielte Spendenaktionen bereits wichtige
Investitionen, wie die Anschaffung von Aquacycling-Rädern, umgesetzt werden.
Für die langfristige Erhaltung des Bewegungsbads ist jedoch mehr erforderlich. Jährlich
werden zusätzlich rund 60.000 Euro benötigt, um die Kosten zu decken. Luzia
Bleyer stellt klar: „Wir wollen weder das Angebot kürzen noch die Preise weiter
erhöhen, denn das würde genau die Menschen treffen, für die wir dieses Bad
betreiben.“ Auch Christian Fuhrmann, Vorstand der NRD, betont: „Es ist für uns
seit Jahren eine große Herausforderung, den Betrieb und die Qualität des
Schwimmbads unter den gegebenen wirtschaftlichen Umständen aufrechtzuerhalten.
Aber es bleibt unser Ziel, den Zugang zu unseren therapeutischen Angeboten für
alle zu gewährleisten. Wir betrachten dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
und leisten unseren Beitrag. Trotz unserer defizitären Lage haben wir uns
entschieden, für 2026 keine weiteren Preissteigerungen vorzunehmen, da sich
ansonsten viele Menschen keinen regelmäßigen Schwimmbadbesuch mehr hätten
leisten können. Als gemeinnütziges Sozialunternehmen stoßen wir mit den
anhaltenden Defiziten für den Betrieb des Bades jedoch an unsere
Leistungsgrenze."
Das Bewegungsbad der NRD ist
weit mehr als ein Schwimmbad – Es ist ein Ort der Teilhabe, der
Gesundheitsförderung und des sozialen Miteinanders. Die aktuelle
wirtschaftliche Lage macht jedoch deutlich, dass ein „Weiter so“ nicht möglich
sein wird. Die NRD ruft daher über ihre Homepage zur Unterstützung auf. „Nur mit
gemeinsamer Anstrengung kann es gelingen, das Bad als ein Herzstück in der
regionalen Gesundheitsvorsorge zu bewahren – für die Menschen in Mühltal und
Umgebung“, so Fuhrmann.
© Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie
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