Wenn Sie hier klicken, erlauben Sie die Anzeige des Spendenbuttons. Datenschutzinformationen

25 Jahre Tagesgruppe Lampertheim - "Wir sehen Erfolge bei vielen Kindern"

07.07.2021 | Marlene Broeckers

Autor

$author

Marlene Broeckers

Texterin der NRD

25 Jahre Tagesgruppe Lampertheim - "Wir sehen Erfolge bei vielen Kindern"

Tagesgruppen für Kinder sind so etwas Ähnliches wie ein Hort – Kinder gehen nach der Schule hin und nachmittags nach Hause. Tagesgruppen sind anders als ein Hort. Sie sind Erziehungshilfen speziell für Kinder mit familiären und schulischen Problemen. In den 1960-er Jahren eingeführt als Alternative zur Heimunterbringung, haben Tagesgruppen in den folgenden Jahrzehnten eine steile Karriere gemacht und wurden 1990 mit der Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes rechtlich verankert. Seit 1996 gibt es die Tagesgruppe der NRD Orbishöhe GmbH in Lampertheim. Am 24. Mai vor 25 Jahren wurde die Arbeit aufgenommen: NRD bewegt! besuchte die Einrichtung im Jubiläumsjahr.

Gruppenleiter Christoph Nieder, 54, und seine Kollegin Gudrun Holl, 57, sind die „alten Hasen“. Beide sind Sozialpädagogen und waren von Anfang an dabei. Das ist ein gutes Zeichen. Ihnen macht die Arbeit mit den elf Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren immer noch Spaß. Und sie wissen die Zusammenarbeit mit ihren beiden jungen Kolleginnen zu schätzen. Die Erzieherin Kristina Felber hat die Tagesgruppe im Anerkennungsjahr als ihr Ding entdeckt und ist geblieben. Alessia Häckl studiert in Darmstadt Sozialpädagogik & Management im 2. Semester und hat die Orbishöhe als Praxispartner für ihr Duales Studium gewonnen.

Coronakonform durch Plastikscheiben getrennt, trägt das Team zusammen, was die Arbeit einer Tagesgruppe ausmacht. 119 Kinder – zu 84 Prozent Jungen - und deren Familien wurden seit 1996 betreut. Während in früheren Jahren die Klientel überwiegend aus sozial schwachen Familien stammte, sind heute alle Schichten vertreten. Die Probleme, die dazu führen, dass das Jugendamt den Besuch einer Tagesgruppe vorschlägt, sind vielfältig. Gudrun Holl: „Es gibt Schwierigkeiten in der Schule, die Kinder kommen mit ihrem sozialen Umfeld, mit ihrer Familie oder mit Gleichaltrigen nicht zurecht. Auch das Verhalten, dem solche Probleme zugrunde liegen, ist höchst unterschiedlich. Manche Kinder sind total schüchtern und zurückgezogen, manche aggressiv.“

Das kleine Häuschen am Waldrand ist nur eine Notunterkunft. Denn die Waldkita findet im Freien statt.
Das kleine Häuschen am Waldrand ist nur eine Notunterkunft. Denn die Waldkita findet im Freien statt.

Gute Kooperation mit dem Jugendamt

Bei Problemanzeigen aus der Schule, den Familien, dem sozialen Umfeld nimmt sich das Jugendamt eines Falles an. Es besteht eine lange und gute Zusammenarbeit mit der Orbishöhe, was dazu führt, dass das Jugendamt gut einschätzen kann, für welche Kinder die Tagesgruppe geeignet ist und wo sich eher eine sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehungsbeistandschaft, Erziehungsberatung etc., eine Pflegefamilie oder eine stationäre Unterbringung empfiehlt. Einige Kinder waren vor und auch während der Aufnahme in die Tagesgruppe schon an die Vitos-Klinik Heppenheim angebunden, einige sind medikamentös eingestellt. Bei der Entscheidung für die Art der Erziehungshilfe haben die Familien ein Mitsprache-Recht. Nach Abstimmung mit allen Beteiligten besuchen die Kinder an drei, vier oder Fünf Tagen in der Woche die Einrichtung. Sie kommen nach der Schule in die Römerstraße 44 und bleiben bis 17 Uhr. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt zwei Jahre. „Sie sind gern hier“, so Nieder, „und manche Kinder kämen gern auch am Wochenende. Immerhin gibt es aber die Sommerfreizeit und Ferienspiele.“ Einmal im Jahr steht ein Hilfeplan-Gespräch mit dem Jugendamt an. Dabei wird besprochen, wie sich das Kind entwickelt, ob man den festgelegten Zielen nähergekommen ist und ob die Maßnahme beendet oder fortgesetzt werden sollte. „Wir sehen eigentlich bei fast allen Kindern Erfolge“, sagt Gudrun Holl, „wir bekommen ja auch regelmäßig positive Rückmeldungen von den Familien und Schulen.“ Wie es den Kindern im späteren Leben weiter ergeht, werde nicht gezielt evaluiert, so der Gruppenleiter: „Aber es gibt einige ehemalige Kinder, die gelegentlich vorbeikommen. Manche sind jetzt selbst schon Eltern und wollen ihren Kindern zeigen: „Guck, hier habe ich früher gespielt.“

Spiel- und Beschäftigungsangebote gibt es viele im Haus und im Außenbereich der Römerstraße 44 und die Infrastruktur in Lampertheim bietet mit Spielplätzen, Freibad und Hallenbad ideale Möglichkeiten, um gemeinsam oder in Kleingruppen etwas zu unternehmen. „Wir achten sehr darauf, dass die Kids nicht nur die Daumen bewegen“, so Gudrun Holl. Neben dem gemeinsamen Essen, das von einem Caterer geliefert wird, der Spielzeit und der täglichen Schlussrunde gibt es natürlich im klar strukturierten Ablauf auch die Lernzeit zwischen 14 und 15 Uhr. Dafür stehen drei Räume zur Verfügung, jedes Kind hat seinen persönlichen Arbeitsplatz. Bei manchen hängt ein aktuell wichtiges Motto über dem Tisch. „Ich bleibe ruhig und konzentriert“, so lautet eine Affirmation. Darunter noch ein handgeschriebener Satz für den Distanzunterricht in Coronazeiten: „Aufgaben nach Beendigung sofort abfotografieren und wegschicken.“

Aufräumen? Aber immer!

Jetzt, am späten Vormittag, steht das Mittagessen kurz bevor. Aber es ist noch Zeit für eine Hausbesichtigung. Treppauf hängen an der Wand Bilder von allen Kindern, die seit 1996 die Tagesgruppe besucht haben. Den Raum oben im Flur nimmt ein großer Tisch-Kicker ein, der sich auch zum Billardspielen verwandeln lässt. Die Ordnung im Spielzimmer dürfte Elternherzen hochschlagen lassen.  Spielzeugautos haben hier nach Art und Größe je eigene Fächer und ihre festen Plätze im Regal. Ähnlich ist es mit den Playmobil-Figuren, die nach Personen und Objekten aufgereiht stehen. Nach seinem Lieblingsauto gefragt, greift Quentin* sofort nach dem Warnfahrzeug für Baustellen und führt dessen Funktionen vor. „Aber jetzt wollte ich gerade Lego spielen“, sagt er, greift die entsprechende Kiste aus einem unteren Fach und verschwindet hinter dem Regal auf dem Spielteppich. Finn* und Louis* grübeln in einer anderen Ecke zusammen mit Alessia Häckl gerade an einem Legespiel. Zur anderen Seite des Obergeschosses geht es in die neuen Räume, die die Tagesgruppe vor einigen Jahren dazu gemietet hat. Eine frühere Wohnung wurde umgebaut, so dass es hier jetzt einen  Besprechungsraum und einen großen Bewegungsraum mit Matten und großen Würfeln gibt – perfekt zum Bauen und Toben.

Viele Kinder haben ihre persönliche Motivation an ihrem Schreibtisch angebracht.
Viele Kinder haben ihre persönliche Motivation an ihrem Schreibtisch angebracht.
Und nach dem Spielen wird alles schön aufgeräumt...
Und nach dem Spielen wird alles schön aufgeräumt...
 

Kinder mögen Regeln, denn sie bieten auch Schutz

Unten geht die Haustür auf, das nächste Kind kommt an. Amal* hängt seine Jacke auf, stellt den Schulrucksack ab, geht sich die Hände waschen und zischt ab nach oben. Dass er und die anderen drei Jungen, die wir kurz erlebt haben, Kinder mit massiven Schwierigkeiten sind, ist für die Besucherin nicht erkennbar. Ganz offensichtlich hingegen ist, dass die Kinder sich wohlfühlen und gerne da sind. „Unser Ziel ist, dass hier jeder seine Persönlichkeit entwickeln und seine Stärken entdecken kann“, sagt Gudrun Holl. „Dazu gehört auch, mal Dinge auszuprobieren, ohne dass man ausgelacht wird, wenn es nicht auf Anhieb klappt.“

Niemanden auszulachen, ist eine der Regeln, die als „Roter Faden für Groß und Klein“ im Flurbereich hängen, nah bei dem Plan für die wöchentlich wechselnden Ämter, die von den Kindern übernommen werden. Dazu gehören Mülleimer leeren, Handtücher wechseln und Wäsche zusammenlegen, Wasservorrat in den Lernzimmern bereitstellen, Gehweg und Hof kehren sowie Unkraut entfernen. „Die Kinder schätzen die Regeln“, sagt Christoph Nieder, „sie spüren, dass sie ihnen Sicherheit geben. Auch Tischmanieren gehören dazu, ‚Bitte‘ und ‚Danke‘ sagen, und in der gemeinsamen Zeit hier die Kinder mit ihrem richtigen Namen ansprechen – nicht mit ‚Bruder‘ und ‚Alter‘“.

Zehn Teelichter stehen im Gruppenraum im Erdgeschoss schon bereit. Sie werden später für Dario* angezündet, der am Wochenende Geburtstag hatte. Auch Kuchen ist da und der Wunschzettel an der Wand zeigt, was Dario zur Feier des Tages mit den Anderen spielen möchte: Stepptanz und eine Partie Naruto. In der Form eines Rollenspiels ist dies erlaubt, da bei Video-Spielen streng auf die Einhaltung der Altersgrenzen geachtet wird. Eine Stunde pro Woche darf jedes Kind am Computer spielen, auf dem nur eine Auswahl von geprüften Spielen hochgeladen ist.

Zum Ende des Schuljahres wird Dario nach drei Jahren die Tagesgruppe verlassen. Mit dem Jugendamt wurde vereinbart, dass die Orbishöhe den Jungen noch ein Jahr lang begleiten wird, und zwar mit aufsuchender Unterstützung in Form einer sozialpädagogischen Familienhilfe in Darios Zuhause. Von diesem Übergang wird auch seine Familie profitieren. Dario sieht den Abschied von der Gruppe mit gemischten Gefühlen. Er wird die Anderen vermissen, aber er weiß auch, was er gelernt hat und möchte sich beweisen. Er fühlt sich bereit, in die Jugend-Feuerwehr einzutreten.

* Namen geändert

Das Tagesgruppen-Team, von links Kristina Felbel, Christoph Nieder, Gudrun Holl und Alessia Hänel.
Das Tagesgruppen-Team, von links Kristina Felbel, Christoph Nieder, Gudrun Holl und Alessia Hänel.

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar zu dieser Seite

Antwort auf:  Direkt auf das Thema antworten

Jetzt Spenden

Menschen mit Behinderung brauchen Ihre Hilfe!

 
  • Inklusion ...

    ... heißt für mich Integration von Menschen nicht nur ins Arbeitsleben, sondern in das gesellschaftliche Leben insgesamt. Vorangetrieben wird diese Entwicklung, wenn Menschen mit Behinderung möglichst überall sichtbar werden. 

    Inklusion ...
    Sonja Hauke,
    Personalleitung Caparol, Ober-Ramstadt
Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie

© Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie
Bodelschwinghweg 5  -  64367 Mühltal  -  Tel.: (06151) 149-0  -  Fax: (06151) 144117  -  E-Mail: info@nrd.de

Datenschutzhinweis

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Bei Cookies unserer Partner (z. B. Altruja für Spenden) können Sie selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen. Datenschutzinformationen