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Martin Michel: "Betreuung verändert sich"

14.03.2019 | Marlene Broeckers

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Marlene Broeckers

Texterin der NRD

Martin Michel: "Betreuung verändert sich"

Das Bundesteilhabegesetz verlangt mehr individuelle Zuwendung. Die Betreuung wird sich dadurch sehr verändern, so wird beispielswiese eine Unterscheidung zwischen stationärem und Betreutem Wohnen in Zukunft wegfallen. Auch die gesetzlichen Betreuer*innen haben in Zukunft mehr zu tun.

„Mir ist schon immer aufgefallen, dass Menschen im Ambulant Betreuten Wohnen mehr Zeit für individuelle Termine bekommen als in stationären Wohnbereichen. Dort konzentriert sich die Unterstützung viel mehr auf die Gruppe.“ Das sagt Martin Michel, 45, seit Januar 2018 Regionalleiter in der NRD und gemeinsam mit Christoph Mohn, 51, für die Region Hessen zuständig. Wie der Sozialarbeiter und Religionspädagoge Christoph Mohn, der seit 25 Jahren zur NRD gehört, ist der Diplom-Sozialpädagoge Martin Michel in der Behindertenarbeit ein alter Hase. Seine langjährige Erfahrung im stationären wie im Betreuten Wohnen macht ihn zum geeigneten Gewährsmann für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), womit die NRD zurzeit erste Erfahrungen sammelt.

Die Unterscheidung zwischen stationärem und Betreutem Wohnen wird in Zukunft wegfallen. Unabhängig davon, wo sie wohnen, gilt für Menschen mit Behinderung, die einen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, dasselbe: Die Leistungen werden am individuellen Hilfebedarf ausgerichtet und in einem Hilfeplan mit Maßnahmen und Zielen beschrieben. Für die Finanzierung der stationären Leistung ist nicht mehr, so wie es bisher meistens der Fall ist, nur ein Kostenträger zuständig. Es wird unterschieden zwischen der Fachleistung, die in Hessen vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) bezahlt wird, und den Leistungen zum Lebensunterhalt (Miete, Lebensmittel, Kleidung, etc.), die das für die Grundsicherung zuständige Sozialamt finanziert. Noch ist die Umsetzung des BTHG nicht vollständig vollzogen, doch die NRD geht bereits jetzt schrittweise in Richtung Zukunft. Dies geschieht in enger Abstimmung mit dem Kostenträger, dem Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV), der sich gleichfalls auf die Umsetzung vorbereitet und Fachkräfte in großer Zahl ausbildet, die in Zukunft die Aufgabe haben, den Hilfebedarf jedes Einzelnen festzustellen.

Vier Wohnplätze in der Nieder-Ramstädter Pfaffengasse, die zum Haus Pulvermühlenweg 19 gehören, wurden bereits in Betreutes Wohnen umgewandelt. Jetzt folgen zum 1. Oktober 2018 alle weiteren Bewohner*innen, die im Pulvermühlenweg 19 leben, insgesamt 14 Personen. Was wird sich für diese Menschen ändern? Rein äußerlich nichts. Sie werden nicht umziehen, sie behalten dieselben Zimmer und dieselben Mitarbeiter*innen sind für sie zuständig. „Die Betreuungsarbeit verändert sich inhaltlich“, erklärt Martin Michel. „Wir werden einen Dienst zur Grundabdeckung einführen, da im Pulvermühlenweg 19 Menschen leben, die bei Bedarf kurzfristig einen Mitarbeiter brauchen. Ein zweiter Baustein: Wie jetzt schon im Betreuten Wohnen wird jede*r Einzelne bestimmte Zeiten haben, in denen sich ein Mitarbeiter nur ihr oder ihm alleine zuwendet und die im Hilfeplan definierten persönlichen Ziele verfolgt.“

Für Heimbewohner*innen, die es oft seit Jahrzehnten gewohnt sind, sich als Teil einer Gruppe zu identifizieren, wird dies eine beträchtliche Veränderung sein. Viele werden Zeit brauchen, zunächst einmal zu lernen, dass sie Wünsche und Ziele äußern sollen – und dass diese auch zusammen mit den Mitarbeitenden umgesetzt werden. Dies ist für die Hilfeplanung unerlässlich, und Martin Michel freut sich darüber. Wie der Workshop mit Bewohner*innen aus Groß-Bieberau und Erbach zum Thema „Wünsche – Ziele – Träume“ zeigt, erleben Menschen es als positiv, dass Mitarbeitende sie fragen, was ihre Wünsche, Ziele und Träume sind; und dass immer wieder danach gefragt wird, auch wenn ihnen lange gar nichts dazu eingefallen ist. Denn es ist ein sehr wichtiges Thema im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz, dass sich die Hilfeerbringung stärker am Willen des Klienten ausrichten wird.

Tagesstruktur für Senior*innen

Es gibt auch eine Gruppe von fünf Senior*innen im Haus, die den ganzen Tag da sind. Für diese wurde mit dem LWV ein tagesstrukturierendes Angebot vereinbart. Zunächst steht ein Zeitrahmen von fünf Stunden täglich für die Gruppe zur Verfügung. Die Angebote werden gemeinsam mit den Senior*innen geplant. Zum Beispiel einkaufen gehen und kochen, genauso wie das jede Privatperson auch tut. Das ist besser, als Mittagessen liefern zu lassen.

2020 wird das Finanzierungs-System Wohnen bundesweit umgestellt. „Wir nehmen es in einzelnen Bereichen vorweg und sammeln Erfahrung, die der NRD insgesamt zugutekommen wird und die wir auch gegenüber dem LWV transparent machen.

Michel ist überzeugt: „Auch schwerbehinderte Menschen werden von der Umstellung profitieren, denn im Gegensatz zu heute, wo die Betreuung pauschal nach dem festgestellten Hilfebedarf finanziert wird, muss die Leistung, die für jede*n einzelne*n erbracht wird, dokumentiert werden und überprüfbar sein. Die gesetzlichen Betreuer*innen der Menschen, die im Pulvermühlenweg 19 leben, haben in der Umstellungsphase viel zu tun: Die Heimverträge werden von der NRD gekündigt und stattdessen werden Betreuungsverträge und Mietverträge für jede Person abgeschlossen. Die Eigengeldkonten für die Bewohner*innen, die bislang von der NRD verwaltet wurden, werden aufgelöst. Die gesetzlichen Betreuer*innen müssen Grundsicherung für ihre Betreuten beantragen und ein Girokonto eröffnen, weil dorthin das Geld für den Lebensunterhalt, die Betreuung, oder auch Werkstattlohn und Renten überwiesen werden. Die Bewohner*innen bekommen dann ihr Geld nicht mehr vom Mitarbeitenden ausgezahlt, sondern heben es selbst, bei Bedarf mit Unterstützung durch die Mitarbeitenden, bei der Bank ab. In jedem Fall steht die NRD gesetzlichen Betreuer*innen beratend zur Seite.                                       

Zusammenfassung in Leichter Sprache

Martin Michel ist seit Anfang 2018 Regionalleiter für Hessen.

Er sagt etwas zum neuen Teilhabe-Gesetz.

Dieses Gesetz gibt es seit 2017.
Es gilt in ganz Deutschland.

Die Abkürzung heißt: BTHG.

Durch das Gesetz ändert sich viel.

Zum Beispiel im Wohnen.

Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Betreutem Wohnen und Stationärem Wohnen.

Es ist egal, wie man wohnt. Man bekommt die Betreuung, die man braucht.

Auch mit dem Geld ändert sich viel.

Jeder Wohnplatz kostet Miete.

Das Sozialamt bezahlt für den Wohnplatz. Auch für Essen und Kleidung.

Der Landeswohlfahrtsverband, kurz LWV, bezahlt für die Betreuung.

Bis jetzt wurde das Geld für Miete und Betreuung an die NRD geschickt.

In Zukunft wird es direkt an die Bewohner geschickt, die von der NRD betreut werden.

BTHG

Die Bewohner bezahlen dann an die NRD für die Betreuung.

Alle Menschen, die von der NRD betreut werden, brauchen deshalb ein eigenes Konto bei der Bank.

Die NRD macht einen Mietvertrag mit allen, die bei der NRD wohnen.

Dabei helfen die gesetzlichen Betreuer.

Gesetzliche Betreuer sind Personen, die Menschen mit Beeinträchtigung unterstützen.

Foto: Unser Foto zeigt Martin Michel.
Abbildung im grauen Kasten: © Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V., Illustrator Stefan Alberts, Atelier Fleetinsel, 2013

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    bedeutet auch Teilhabe an demokratischen Prozessen. Daher muss den mehr als 7000 Hessinnen und Hessen mit Behinderung in Vollbetreuung, die aktuell kein Wahlrecht haben, die Stimmabgabe bei Landtags- und Kommunalwahlen ermöglicht werden.

    Inklusion ...
    Bijan Kaffenberger,
    Landtagsabgeordneter der SPD für den Wahlkreis 50 - Darmstadt II
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