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Der Fachmann für Adventskränze

09.01.2018 | Michael Neser

Autor

Michael Neser

Michael Neser ist freier Texter

Der Fachmann für Adventskränze

Gabriel Römer, 29, ist einer von geschätzten 50.000 Menschen mit Down Syndrom in Deutschland. Lange Zeit wohnte er bei der NRD in Mühltal – vor kurzem ist er umgezogen und lebt nun wieder in seiner alten Heimatstadt Groß-Gerau. Wir haben ihn besucht, um aus erster Hand zu erfahren, wie sich die Regionalisierung der NRD auf sein Leben auswirkt.

Gemeinsam mit seiner Mutter Sylvia Römer und dem Leiter des betreuten Wohnprojekts, Fabien Muller, sitzen wir in der geräumigen Wohnküche von Gabriels neuer 3er-WG in einem modernen Niedrigenergiehaus mitten im Ortskern. Die Atmosphäre im Gemeinschaftsraum ist noch etwas karg, die Innen-Einrichtung ist noch im Entstehen. Das Gebäude war zunächst für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen errichtet und erst vor wenigen Monaten umgewidmet worden, wie Fabien Muller erläutert. Heute leben hier 16 Erwachsene mit unterschiedlich schweren Behinderungen in kleinen Wohngemeinschaften zusammen.

Bevor wir anfangen, uns zu unterhalten, serviert der junge Mann uns allen Kaffee. „Gabriel wollte schon immer Gärtner werden“, berichtet Sylvia Römer, „das war sein Traum.“ So kam er zur Gärtnerei der NRD in Mühltal. Er war damals siebzehn und meinte, wenn er jetzt da arbeite, dann wolle er auch da wohnen. Auf seine Tätigkeit als Gärtner ist Gabriel stolz – vor allem auf sein Spezialgebiet: „Jedes Jahr zum Advent binden wir Kränze. Und ich bin da Fachmann.“ Eines der professionellen Stücke ziert den Tisch im großen Gemeinschaftsraum des Hauses. Erst vor kurzem haben Mutter und Sohn von der neuen Nutzung des NRD-Wohnhauses in Groß-Gerau gehört und die Gelegenheit beim Schopf gepackt, räumlich doch wieder etwas näher zusammenzukommen. „Das ging ganz schnell und unkompliziert“, erinnert sich Frau Römer. Zwei Briefe, ein Besichtigungstermin: nun ist Gabriel wieder in seiner alten Umgebung.


Volles Sportprogramm

Sport liegt Gabriel Römer am Herzen: „Immer am Samstag, pünktlich um 18:00 Uhr, gucke ich die Sportschau.“ Vor allem aber ist er ein Riesen-Fan der Darmstädter Lilien und besitzt etliche Devotionalien wie Trikots und sogar einen Original-Ball mit echten Autogrammen der ganzen Mannschaft, den er stolz präsentiert. Die Liebe zum Verein ging sogar so weit, dass er eines Tages mit einem ganz besonderen Anliegen zu seiner Mutter kam: „Ich glaube, das willst du nicht“. Dies war der Eröffnungssatz, erinnert sich Sylvia Römer, während Gabriel bereits herzlich lacht und die Ärmel hochkrempelt. Das Logo seines Lieblingsvereins wollte er sich auf den rechten Oberarm tätowieren lassen. Gesagt, getan. Mittlerweile ist noch eine Lilie auf dem linken Arm dazugekommen – und ein Drache auf dem Rücken. Und Mutti? Die hat sich vom Tattoo-Fieber ihres Sohnes sogar anstecken lassen.

Doch Sport bedeutet für Gabriel eben nicht nur Fan und Fernsehzuschauer zu sein – er ist auch selbst extrem aktiv. Zweimal die Woche spielt er Tischtennis im örtlichen Verein und trainiert sogar für die Special Olympics. Dienstags geht er zudem tanzen, mittwochs zum Kegeln und sonntags zum Aroha-Kurs. Aroha ist ein neuseeländischer Tanzstil mit kämpferischen Elementen. Volles Programm also. Und so verbindet sich das regionalisierte Wohn- und Freizeitangebot der NRD für Gabriel Römer optimal mit dem, was sein Heimatort auch für nicht-behinderte Menschen zu bieten hat. Gelebte Inklusion.

Wieder daheim – aber eben nicht im Heim

„Hier finde ich es richtig schön – hier bleib’ ich!“, so Gabriel über sein neues Zuhause. „Ich habe es nicht weit zu meiner Mutter und auch nicht zum Einkaufen.“ Letzteres erledigt er heute teilweise selbst und die wiedergewonnene Nähe zu seiner Mutter schätzt er nicht nur wegen ihrer Kochkünste. Aber auch Sylvia Römer weiß, was sie an ihrem Sohn hat. „Wenn es mal schwere Sachen im Garten zu machen gibt, ist Gabriel sofort zur Stelle.“ Auch um den Hund kümmert er sich und im Haushalt packt er gerne an. Vor allem das Bügeln macht ihm großen Spaß, aber auch der Abwasch. Deshalb hat er in seiner WG-Küche extra über dem Waschbecken ein Schild anbringen lassen: „Schmutziges Geschirr bitte stehen lassen!“ – eine ungewöhnliche Bitte in einer WG.

Flüssig zu erzählen, fällt Gabriel nicht leicht. Er muss nachdenken. Drängt Sylvia Römer ihn dann ein bisschen, reagiert er jedoch wie alle jungen Erwachsenen, wenn Mutti nervt. „Mach’ ich doch gerade!“, erwidert er etwas pikiert. Und dann fällt ihm plötzlich noch was ganz Wichtiges in seinem Leben ein: seine Freundin, mit der er seit mehr als zwei Jahren zusammen ist. Sie wohnt in Mühltal und kann in seiner neuen WG auch mal übers Wochenende bleiben. Gabriel steht also voll im Leben und beweist dabei immer wieder einen erfrischenden Humor: Zum Abschied wünscht er „noch einen schönen Tag bei der Arbeit!“ – und kann sich dabei sein ausgelassenes Lachen nicht verkneifen. Er selbst hat nämlich bereits Urlaub. Klar. Der „Fachmann für Adventskränze“ kann so kurz vor Weihnachten die Füße hochlegen.

Gabriel Römer und seine Mutter
Gabriel Römer und seine Mutter
Titelseite Transparent1 2018

Dieser Beitrag wurde der Publikation "transparent - die Nieder-Ramstädter Diakonie informiert", Ausgabe 01, Januar 2018, entnommen. 

 

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  • Inklusion...

    ...bedeutet für mich, dass man alle Menschen wieder mehr zusammenführt. Wenn alle aufmerksam und hilfsbereit miteinander umgehen, dann geht es allen auch seelisch besser. 

    Inklusion...
    Virginia Dindore
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