16.12.2021 | Katrin Baginski
Das Haus Arche in Mühltal ist mit seiner sternenförmigen Architektur ein ungewöhnliches Bauwerk. Aber auch innen ist das weitläufige, verwinkelte Gebäude mit besonderen Elementen ausgestattet. In den Eingangsbereichen der Stockwerke fallen großformatige, farbige Kachelwände auf.
Wer sich im Haus Arche bewegt, braucht eine Weile, um sich darin zurechtzufinden. Mitarbeitenden und Besucher*innen begegnen dabei die mit Keramikfliesen kunstvoll gestalteten Wände, die sich über den ganzen Gebäudekomplex verteilen. Wer gute Bibelkenntnisse besitzt, kann einige der Motive erkennen.
Elf Keramikwände, elf biblische Geschichten
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ – Sechs der insgesamt elf Kachelwände zeigen die sieben Tage der Schöpfungsgeschichte nach dem 1. Buch Mose. Sie beginnen mit der Erschaffung des Lichts und der Trennung von Tag und Nacht bis zur Vollendung der Schöpfung am 7. Tag, als Ruhe- und Feiertag. Die anderen Keramikwände stellen biblische Geschichten des Alten und Neuen Testaments vor: den Garten Eden, die Heilung am Teich Betesda, das neue Jerusalem, Saul und David, die Arche Noah. Es sind zeitlose Geschichten, sie handeln vom Zusammenleben, von Verantwortung und Gemeinschaft, vom Führen und geführt werden. Geschichten, die immer auch mit Neuanfängen zu tun haben.
Handgefertigte Baukeramik
Die Wandkacheln entstanden
während des Baus des Hauses im Jahr 1981. Jede Keramikwand umfasst etwa 9 qm, die
Kacheln sind reliefartig gearbeitet und haben bis heute nichts von ihrer
Farbigkeit verloren. Ihre Anfertigung wurde vermutlich vom damaligen Direktor
der Nieder-Ramstädter Heime, Pfarrer Gottfried Reinhardt, in Auftrag gegeben,
mit dem Anliegen, etwas Bildliches, für alle Menschen Zugängliches, zu
schaffen. Außerdem sollten die bunten Gemälde den geplanten Wohnbereichen im
Haus Arche eine farbliche Zuordnung geben.
Die Anfertigung der detailreichen Kachelbilder übernahm die auf handgefertigte Baukeramiken spezialisierte Werkstatt Ebinger in Bad Ems. Das Künstlerpaar Lies und Heinz Ebinger erhielt für den Auftrag damals knapp 60.000 Deutsche Mark. Ihre Tochter Katharina Ebinger-Schnaß erinnert sich: „Meine Mutter führte die Entwürfe in Aquarelltechnik aus. Mit Hilfe eines Tageslichtprojektors wurden sie auf große Papiere übertragen. Diese dienten als Schnittmuster für die Grundformen sowie als Verlegehilfe zur Montage. Die Tonplatten bestanden aus stark schamottiertem, rot brennendem Westerwälder Ton und wurden mit Baukeramik-Techniken modelliert und strukturiert. Nach einer einwöchigen Trocknungsphase wurden sie mit den in unserer Werkstatt entwickelten Glasuren glasiert und im Einbrandverfahren bei 1150 °C gebrannt. Die Montage führte ein Fliesenleger durch, der dabei einen speziellen Fliesenkleber für besonders schwere Keramik verwendete.“
Kunst und Diakonie
Beate Braner-Möhl, Stabsstelle
Diakonie, hat sich mit den Wandkacheln intensiv beschäftigt. Für sie gehört
Kunst selbstverständlich zum diakonischen Auftrag: „Über die Kunst drücken wir Emotionen
aus, erzählen Geschichten, vermitteln Impulse. Sie ist ein wichtiger Teil des
Zusammenlebens“. Gemeinsam mit dem NRD-Vorstand hatte sie die Idee, die
Kachelwände in einem Bildband zu dokumentieren und mit Begleittexten zu versehen.
„Mir ging es darum, die Schlüsselworte der einzelnen Geschichten in die heutige
Zeit zu übertragen“, erläutert Beate Braner-Möhl. Die Texte sind als
Meditationen gedacht. Sie sollen zum Innehalten und Weiterdenken einladen und
werden auch an den Wänden angebracht.
Keramiken aus dem Haus Ebinger finden sich
auch an anderen Stellen in der NRD: im Bewegungsbad, im Treppenhaus des Bodelschwingh-Hauses
und auch an der Plantation in Friedrichsdorf befindet sich eine Brunnenanlage,
die vermutlich von den Ebinger-Werkstätten angefertigt wurde. Im Zuge der
Neugestaltung des Dornbergs wird sich eine Projektgruppe mit dem weiteren
Verbleib der Arche-Keramikbilder beschäftigen. Wünschenswert wäre es, dieses
Zeitzeugnis zu erhalten.
Foto: Unser Bild zeigt den 4. Tag der Schöpfungsgeschichte: Die Erschaffung der Sterne und Himmelskörper.
1960 gegründet, machte sich die Werkstatt Ebinger schnell
einen Namen für handgefertigte, künstlerische Baukeramik. In den 80er-Jahren
begann die intensive Zusammenarbeit mit Friedensreich Hundertwasser und anderen
bekannten Künstlern. Nach dem Tod des Gründerehepaares wurde die Werkstatt
zunächst von der Familie weitergeführt, 2020 dann von dem Atelier Gilles
übernommen. (Weitere Infos gibt es auf der Website: www.ebinger-schnass-keramik.de)
Das Haus Arche wurde 1980 - 1982 als Wohnanlage für rund 150 Beschäftige der Werkstatt gebaut. In vier dreigeschossigen Flügeln befanden sich insgesamt elf Wohngruppen. Die Häusertrakte sind in der Mitte durch eine zweigeschossige Halle verbunden – als gemeinsames Kommunikationszentrum. Mit der Regionalisierung der Angebote hat sich die Nutzung des Hauses maßgeblich verändert. Heute sind hier die zentralen Verwaltungsbereiche der NRD ansässig. Von den ehemals elf Wohngruppen sind nur noch zwei vorhanden. Im Zuge der Entwicklung des inklusiven Wohngebiets am Dornberg werden anstelle des Arche-Gebäudes Mehrfamilienhäuser entstehen.
Sowohl in der katholischen Kirche in Nieder-Ramstadt, Sankt Michael, hängt ein Relief vom selben Künstler sowie auch in der evangelischen Kirche in Traisa. :)
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