14.12.2022 | Katrin Baginski
Wer am gesellschaftlichen Leben teilnehmen will, sollte mobil sein. Mobilität bedeutet jedoch mehr als von A nach B zu kommen. Wir alle verbinden damit Unabhängigkeit, Flexibilität und Selbstbestimmung. Alexander Christmann, der im Bereich Mailing und Digitalisierung der NRD beschäftigt ist, sieht das genauso. Er hat deshalb seinen Autoführerschein gemacht.
Morgen, nach der Arbeit, geht es zum Minigolfspielen nach Arheiligen. Alexander Christmann möchte dort mit seinen Freunden seinen 25. Geburtstag nachfeiern. Es ist ein besonderer Tag, denn Alexander fährt zum ersten Mal seine Freunde selbst mit dem Auto dorthin. Seit gut einem Jahr besitzt er den Führerschein. Die Mama ist zur Sicherheit immer mit dabei, falls Alexander müde oder unsicher wird.
Alexander wohnt mit seinen Eltern
in Groß-Bieberau. Seine Schulzeit hat er an der Wichernschule verbracht, inzwischen
arbeitet er im Bereich Mailing und Digitalisierung der Mühltal-Werkstätten. An
zwei Vormittagen hilft er im „Aktionsplan Teilhabe“ mit und setzt sich innerhalb
der NRD für inklusive Projekte ein. Die Arbeit macht ihm Spaß.
Um zur Werkstatt zu kommen, war er bislang auf öffentliche Verkehrsmittel
angewiesen. Wie viele andere kennt er die Schwierigkeiten mit verspäteten oder überfüllten
Bussen oder Zügen. „Das nervte, das wollte
ich nicht mehr“, erklärt er und meldete sich daher mithilfe seiner Mutter bei
einer Fahrschule in der Umgebung an. In einer ersten „Fahrstunde“ überprüften
die Fahrlehrer*innen, ob Alexander trotz seiner leichten geistigen Behinderung in
der Lage ist, sich im Straßenverkehr zurechtzufinden. Er entscheidet sich für das
Fahren mit Automatik, damit fühlt er sich sicherer. Für die Theorieprüfung
braucht Alexander etwas Zeit und Geduld. Mit etwa 48 Fahrstunden hat er schließlich
den Führerschein in der Tasche.
Seitdem ist er stetig auf Achse, fährt mit seinem kleinen Hyundai zur Arbeit und donnerstags zum Fußballtraining nach Eschollbrücken. Seine Mutter ist als Beifahrerin immer mit dabei. Dass Autofahren auf dem Land anders ist als in der Stadt, hat er bereits gelernt. „In Darmstadt fahre ich nicht so gerne. Da stehst du an einer großen Kreuzung und musst schauen, wann du losfahren kannst“, erzählt er. Auch gefährliche Situationen hat er bereits erlebt. Während der dreistündigen Fahrt auf dem Rückweg vom Geburtstag der Tante fällt er beinahe in einen Sekundenschlaf. Die Eltern bemerken es rechtzeitig. Alexander hat aus dieser Erfahrung gelernt: „Wenn ich müde werde, mache ich sofort eine Pause oder sage Bescheid.“ Die Probezeit läuft noch ein halbes Jahr. Alexander will die Zeit nutzen, um mehr Sicherheit zu bekommen. Sein großes Ziel: Alleine mit den Freunden in Urlaub fahren – ganz ohne elterliche Begleitung. Ein Wunsch, den man nachvollziehen kann.
Alexanders Weg zum selbstständigen Autofahren ist im Prinzip der gleiche wie bei anderen Fahranfänger*innen auch. Verbunden ist er lediglich mit etwas mehr Zeit und – glücklicherweise – der zusätzlichen Unterstützung durch die Eltern.
Wie Alexander besitzen auch andere Klient*innen
einen Auto-, Mofa- oder Roller-Führerschein. Sehr viele sind es nicht. Laut
Ilka Grahn vom Sozialdienst der Mühltal-Werkstätten gehören eher Klient*innen mit
psychischen Erkrankungen dazu. Für die meisten Klient*innen mit einer geistigen
Einschränkung bleibt der Führerschein – je
nach Grad – eine besondere Herausforderung.
Zudem ist der Führerschein eine private Angelegenheit, die eigenständig
organisiert werden muss. Viele Fahrschulen haben sich jedoch inzwischen auf die
unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Fahrschüler*innen eingestellt und bieten
eine entsprechende Begleitung an. Bei stärkeren Einschränkungen ist vorab ein
(medizinisches) Gutachten notwendig.
Führerschein mit Handicap? Wissenswertes bietet die Homepage www.fahrschule-123.de
Foto: Alexander Christmann
Schätzungsweise ⅓ der
Beschäftigten in den NRD-Werkstätten nutzen öffentliche Verkehrsmittel. Einige
wenige fahren auch mit dem Rad zur Arbeit. Da sich das Einzugsgebiet der
Werkstätten zunehmend vergrößert, wird eine gute Anbindung immer wichtiger. Die
Kostenträger übernehmen grundsätzlich die Fahrtkosten von der Wohnung zur
Arbeitsstätte.
Der über die NRD organisierte Fahrdienst wird von vielen Klient*innen genutzt.
Je nach Wohnort ist damit auch eine lange Fahrtzeit verbunden. Für etwas abgelegene
Standorte wie den Sonnenhof ist der Fahrdienst, wenn man nicht anderweitig
mobil ist, die einzige Alternative. Grundsätzlich müssen Beschäftigte in Außenarbeitsplätzen
ihre Anfahrt zum Arbeitsplatz selbst organisieren. Schwierig kann es dann werden,
wenn Firmen umziehen.
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
Menschen mit Behinderung brauchen Ihre Hilfe!
© Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie
Bodelschwinghweg 5 - 64367 Mühltal - Tel.: (06151) 149-0 - Fax: (06151) 144117 - E-Mail: info@nrd.de