22.06.2015 | Marlene Broeckers
geschrieben von Barbara Mümpfer, Foto: Carsten Selak
Eine Männer-WG stellt man sich allgemein ziemlich chaotisch vor. Ungewaschenes Geschirr in der Küche, herumliegende Klamotten in den Schlafzimmern, ein Bad, das auch mal wieder geputzt werden könnte. Bei Filip Mohr und Marcel van Zwehl findet sich nichts dergleichen. Wohnzimmer und Küche sind tiptop aufgeräumt, das Bad blinkt und blitzt und in den Schlafzimmern sind die Betten ordentlich gemacht.
Solche Mieter wünscht sich jeder Hausbesitzer. Dabei war es für die jungen Männer, 23 und 25 Jahre alt, nicht leicht, eine gemeinsame Wohnung zu finden und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, denn Marcel und Filip wurden mit dem Down-Syndrom geboren.
Bis vor zweieinhalb Jahren lebten die beiden in ihren Familien in Udenheim und Bodenheim. Bei Begegnungen in der Musikschule, beim therapeutischen Reiten, auf Freizeiten und in der Rheinhessen-Werkstatt der NRD freundeten sie sich an, und irgendwann kam im Gespräch mit den Eltern der Gedanke auf, einen eigenen Hausstand zu gründen. Allerdings war es nicht einfach, eine Wohnung zu finden.
Als dann im Juli 2012 der Leiter des Ambulanten Wohnens, Franz Scholz, bei den Eltern anrief und verkündete: „Ich habe einen netten Hausbesitzer in Wörrstadt gefunden, der eine passende Wohnung vermietet“, ging plötzlich alles ganz schnell. Für Filips Mutter Evelin Mohr sogar ein bisschen zu schnell, musste man sich doch innerhalb weniger Tage entscheiden. „Als mein Sohn nach der Besichtigung spontan auf den Vermieter zuging und sagte: ‚Ich nehme die Wohnung‘, hatte ich keinerlei Bedenken mehr“.
Was ihr damals als „Sprung ins kalte Wasser“ erschien, hat sich längst bewährt. Die beiden jungen Männer führen selbständig ihren Haushalt wie andere Menschen ihres Alters auch. Unterstützt werden sie dabei von fünf Fachkräften des Ambulanten Wohnens, die an sechs Tagen in der Woche abwechselnd vorbei kommen und ihnen bei der Wäschepflege, beim Kochen, beim Hausputz und bei der Freizeitgestaltung zur Seite stehen. Während sie mittags in der Rheinhessen-Werkstatt essen, versorgen sich Filip und Marcel abends und am Wochenende selbst. Und das gar nicht mal schlecht: „Neulich haben wir Schnitzel mit Bratkartoffeln und Gemüse gekocht“ berichtet Filip stolz. Natürlich gibt es auch mal Streit – aber nur über solche Kleinigkeiten wie die Frage, wer heute mit Spülmaschineausräumen dran ist. Kein Unterschied zu anderen WGs also.
Die Eltern stellen fest, dass ihre Söhne in diesen zweieinhalb Jahren immer selbständiger geworden sind. So brauchen Filip und Marcel am Morgen keine Unterstützung mehr beim Aufstehen und Frühstück zubereiten, ein kurzer Kontrollruf von einem Mitarbeiter des AW reicht. Mittlerweile können sie selbst einen Einkaufszettel schreiben und gehen damit ab und an selbständig im Ort einkaufen. „Das gute an dieser Wohnform ist: Unsere Kinder können ihre Stärken ausleben“, sagt Oliver van Zwehl, der Vater von Marcel, der diesen Schritt jederzeit wieder tun würde. Das gleiche sagt Evelin Mohr. Sie glaubt, dass Menschen mit Down-Syndrom ein selbständiges Leben leichter fällt, wenn sie bereits im Elternhaus lernen, Regeln zu befolgen, Grenzen zu akzeptieren und Verantwortung zu übernehmen. Allen betroffenen Eltern rät sie: „Gehen Sie diesen Weg rechtzeitig, so lange Ihre Kinder noch lernfähig und Sie noch jung genug sind, um sie zu unterstützen“.
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