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Kinästhetik: Den Bewegungssinn aufwecken

22.08.2017 | Marlene Broeckers

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Marlene Broeckers

Texterin der NRD

Kinästhetik: Den Bewegungssinn aufwecken

Der Sinn für die richtige Bewegung geht uns Menschen mehr und mehr verloren. Vermutlich ist dies eine Folge des massiven Klimawandels, den die Erde am Ende der letzten Eiszeit, also vor knapp 12.000 Jahren durchmachte. Damals begann der Mensch sesshaft zu werden. Das Eigentum wurde erfunden, aus den früheren Jägern und Sammlern wurden Ackerbauer und Viehzüchter. Die beginnende Sesshaftigkeit, von vielen Wissenschaftlern als die größte Verhaltensänderung der Menschheit bezeichnet, dürfte auch bewirkt haben, dass unser Bewegungssinn verkümmert. Diesen wieder aufzuwecken, ist das Ziel der Kinästhetik, der sich unser Kollege Kai Birkenhauer verschrieben hat.  

Basisschulungen in Kinästhetik, der Lehre von der Bewegungsempfindung, gibt es in der NRD seit 2012. Es war Christoph Mohn, heute Regionalleiter Hessen, der vor fünf Jahren Jens-Peter Hansen erstmals in die NRD holte, um die Grundschulung zu vermitteln. Seitdem gibt Hansen jährlich eine Fortbildung, deren 16 Plätze immer schnell ausgebucht sind. Auch Kai Birkenhauer, 39, hat 2015 an diesem Grundkurs teilgenommen und war so begeistert, dass er gleich das „Peer-Tutoring“ dranhängte, eine Weiterbildung, die dazu berechtigt, nach dem Expertenstandard des Vereins Kinaesthetics Deutschland KollegInnen anzuleiten, die mindestens einen Grundkurs abgeschlossen haben. Und damit nicht genug: Im August beginnt Kai Birkenhauer mit einer einjährigen berufsbegleitenden Weiterbildung in Kinästhetik. Er will die erste von drei Trainerstufen erklimmen, die ihn befähigen wird, auch Anfänger auszubilden. Damit dürfte ein solider Grundstein gelegt sein, die Lehre vom Bewegungssinn in der NRD fest zu etablieren, zum Nutzen der vielen Mitarbeitenden, die täglich mit Pflege zu tun haben, aber auch zum Nutzen der BewohnerInnen, die Pflege und Bewegungsassistenz brauchen.  

Die NRD fördert Weiterbildung  

Dass die NRD einiges investiert, um Mitarbeitende zu qualifizieren und neues Know-how ins Unternehmen zu holen, dafür ist die berufliche Biografie von Kai Birkenhauer ein Beispiel. Mit einem freiwilligen sozialen Jahr im damaligen Förder- und Freizeitbereich (der heutigen Tagesstätte) startete Birkenhauer vor 20 Jahren in der NRD. Um danach seine Wartezeit aufs Sozialpädagogik-Studium sinnvoll zu füllen, absolvierte er anschließend ein Vorpraktikum in der Pulvermühle und blieb dem Unternehmen während des Studiums als Wochenendhelfer, in Teilzeitjobs in der Pulvermühle und im Haus Bodelschwingh erhalten. Dann brach er das Studium ab und wurde als Mitarbeiter ohne Ausbildung in der untersten Gehaltsstufe eingestellt.  

Im Jahr 2010 drückte ihm Dirk Tritschak – heute Regionalleiter Hessen, damals Leiter des Hauses Bodelschwingh – ein Formular vom Arbeitsamt in die Hand. Mit der Aufforderung „Füll das mal aus!“ leitete Tritzschak eine sehr wirksame Qualifizierungsmaßnahme für den engagierten Kollegen ein. Über WeGebAU (lies: Wege-Bau), ein Sonderprogramm des Arbeitsamtes für die Weiterbildung geringqualifizierter Arbeitnehmer in Unternehmen, machte Kai Birkenhauer die Ausbildung zum Altenpfleger und wechselte während dieser Zeit in die Wohngruppe 8 des Hauses Arche, die einzige reine Frauengruppe des Hauses mit vielen älteren Bewohnerinnen. Seine Ausbildungsleiterin war Sandra Parche, zuständig für den Fachdienst Pflege im Haus Arche. Als die Kollegin im Frühjahr 2017 nach Erbach wechselte, um dort die Leitung des Wohnverbundes zu übernehmen, schlug sie Kai Birkenhauer als Nachfolger vor. So ist es auch gekommen. Seit März ist Birkenhauer für den Fachdienst Pflege in der Arche und einigen weiteren Wohngruppen des Zentralgeländes zuständig, außerdem auch für das Kinder- und Jugendhaus Klausenburger Straße in Darmstadt. Er hat drei Vorgesetzte und ist für rund 140 Mitarbeitende und etwa ebenso viele BewohnerInnen der Ansprechpartner in Sache Pflege. Hut ab vor dieser Karriere, die von Birkenhauers Vorgesetzten gefördert, vom Unternehmen bewilligt und vom Arbeitsamt mitfinanziert wurde.

Kai Birkenhauer weiß das zu schätzen und ist bestrebt, seine speziellen Kenntnisse in Zukunft auch über das Haus Arche hinaus in der NRD zur Verfügung zu stellen. Ziel des Kinästhetik-Konzeptes ist zweierlei: Mitarbeitende, die bewegungseingeschränkte BewohnerInnen begleiten, sollen so handeln können, dass sie ihre Gesundheit nicht gefährden. Und BewohnerInnen sollen so unterstützt werden, dass sie selbst von der Bewegung profitieren. „Ich kann, wenn ich genug Kraft habe, einen Menschen vom Bett in den Rollstuhl befördern, ohne dass dieser Mensch dazu irgendetwas tun muss“, erklärt Birkenhauer. „Das ist aber nicht sinnvoll,  denn nicht jeder ist groß und stark, und auch Pflegende werden älter.“ Besser ist es, natürliche Bewegungen, die den Funktionen des Körpers entsprechen, so auszuführen, dass möglichst wenig Anstrengung und ein großer Effekt damit verbunden sind. Dass kleine Bewegungsänderungen große Wirkung haben, demonstriert Birkenhauer beim Aufstehen vom Stuhl: Erhebt man sich mit gerade aufgerichtetem Rücken, ist es viel anstrengender als in einer kleinen Vorbeuge. Ein simples Beispiel, das unmittelbar einleuchten lässt, dass wir uns – auch jenseits von Pflege – im Alltag viel bewusster bewegen sollten, um ohne großen Aufwand Gutes für unsere Gesundheit zu tun.

Die Ursprünge der konzeptionellen Entwicklung der Kinästhetik gehen auf die US-Amerikaner Frank Hatch und Lenny Maietta zurück. Frank Hatch arbeitete als Tänzer, Choreograph und Produzent, betrieb Forschung über die Ethnologie des Tanzes. Hatch wandte sich in Folge der Arbeit mit behinderten Kindern sowie dem Gebiet der Rehabilitation zu. Seine spätere Frau Lenny Maietta ist klinische Psychologin und hat sich seit ihrer Jugend mit körperorientierten Prozessen der menschlichen Entwicklung und persönlichen Entfaltung befasst. Beide studierten Verhaltenskybernetik bei Karl U. Smith, beschäftigten sich mit Tanz und arbeiteten intensiv mit Moshé Feldenkrais zusammen.

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