27.04.2021 | Marlene Broeckers
Vor wenigen Jahren hoch gelobt, heute schon veraltet? Erbach zeigt, wie sogenannte „48er-Einheiten“ an aktuelle Standards angepasst werden können.
Der Wohnverbund Erbach gehört zu den ersten Projekten, die im Zuge der Regionalisierung in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts entstanden sind. Die Anlagen mit 48 Wohnplätzen entsprachen seinerzeit den maßgeblichen Förderrichtlinien der Aktion Mensch. Seitdem sind rund 14 Jahre vergangen und inzwischen sind – auch dank zunehmender Erfahrung der Träger-Einrichtungen selbst – die Kriterien geschärft, die das Wohnen zum „guten Wohnen“ machen. Individualität, mehr Privatsphäre und eine häusliche Umgebung sind heute ausschlaggebende Stichworte für die Planung von Wohnangeboten und deren Förderung. Die „48-er Einheiten“, wie die drei größeren Wohneinheiten in der NRD genannt werden, sind damit aber nicht unbrauchbar, sondern können nach zeitgemäßen Maßstäben umgestaltet werden. Am Brühl in Erbach gab es dafür grünes Licht nach der Eröffnung des neuen Wohngebotes in Erbach-Erlenbach. Die früheren Wohnflure wurden umgewandelt in kleinere, privatere Einheiten. „Die Klient*innen und die Mitarbeiter*innen profitieren davon“ sagt Wohnverbundsleiterin Sandra Pache.
Aus ehemals drei
Wohngruppen mit je zwölf Personen sind nach dem Umzug einer Gruppe zum Erlenhof
nun zwei Wohngruppen mit je 16 und 17 Personen geworden. Jede WG besteht nun
aus vier oder fünf Wohneinheiten, die auf zwei Stockwerke verteilt sind. In der
kleinsten Einheit wohnen zwei, in der größten fünf Personen zusammen. Jede
Wohnung hat neben den Einzelzimmern auch eine eigene Küche, ein Wohnzimmer und
ein bis zwei Bäder.
Die Mitarbeiter*innen berichten von ihren Erfahrungen. „Speziell
in der WG 3 gab es viel Konfliktpotential“, sagt Teamleiterin Elisabeth
Schäfer. Die kleineren Einheiten boten die Chance, dass Menschen zusammen
wohnen, die sich mögen und gut zueinander passen. „Wenn früher einer laut
wurde, haben das alle mitbekommen. Jetzt ist es wesentlich ruhiger geworden.“
Mit
dem Umbau änderte sich auch das Betreuungskonzept. Die Mitarbeitenden
praktizieren nun die aufsuchende Betreuung – eine
bedeutsame Veränderung sowohl für die Bewohner*innen als auch für die Teams.
Die Dienstzimmer wurden von den Wohnbereichen getrennt. Mitarbeitende müssen
nicht länger zwölf Personen auf einmal im Blick behalten, sondern begleiten die
Menschen in ihren eigenen Zimmern oder Wohnungen. Und die Bewohner*innen haben
jetzt nicht mehr jederzeit „Zugriff“ auf Mitarbeitende, sondern zu geplanten
Zeiten, die ihnen dann aber auch ganz alleine gehören. „Das war eine Umstellung“,
so Elisabeth Schäfer, „aber es lohnt sich. Die Bedürfnisse des Einzelnen stehen
jetzt stärker im Vordergrund. Unser Eindruck ist: Den Menschen geht es hier
sehr gut.“
Die Umbauphase allerdings, die ein gutes halbes Jahr dauerte, bedeutete
Stress, wie Marcel Schmid deutlich macht. „Es fand ja bei laufendem Betrieb
statt. Einige Menschen mussten ihre Zimmer aufgeben, weil zusätzliche Küchen
und Bäder gebraucht wurden, und dann später woanders einziehen. Einzelne haben
das nicht gut verkraftet. Auch der Baulärm war zeitweise recht belastend.“
„Die
Teamleiter haben während des Umbaus Außerordentliches geleistet“, berichtet
Wohnverbundsleiterin Sandra Pache. „Sie gerieten unvermutet in die Rolle von
Baubegleitern, und das ohne Freistellung für diesen zusätzlichen Job.“ Sie
erklärt: „Das Umbau-Projekt wurde von Mühltal aus gut gesteuert, aber es fehlte
oftmals ein Ansprechpartner für die Handwerksfirmen vor Ort, zum Beispiel, wenn
es spontane Planänderungen gab. Diese Rolle übernahmen dann notgedrungen die
Teamleiter, die eigentlich ganz andere Aufgaben haben. Dass sie es trotzdem gestemmt
haben, ist großartig.“
Die Illustration von Udo Nieper zeigt: Der Wohnverbund fügt sich passend ins Stadtbild. Diese Skizze entstand vor 20 Jahren zu Beginn der Planungen in Erbach. Jetzt wurden die Wohnhäuser nach modernen Standards umgebaut.
Ebenso
wie in den größeren Wohneinheiten in Mörfelden und Groß-Bieberau ist auch in
Erbach eine Tagesstätte angegliedert. Sie befindet sich gleich über dem Hof im
früheren Erbacher Krankenhaus, das von der NRD bedarfsgerecht umgebaut wurde.
15 der 45 Bewohner*innen besuchen werktags die Tagesstätte, acht Klienten aus
der nahegelegenen Wohneinheit Bullauer Strasse (Erlenhof) und acht externe
Tagesstätten-Gäste werden ebenfalls dort betreut. Zwölf Menschen im Rentenalter
finden ein zweites Milieu in der Seniorenbetreuung im Untergeschoss des Hauses.
Ein eigenes Team unter Leitung von Altenpfleger Danny Köhler ist seit dem Frühjahr 2019 für die Betreuung zuständig. Corona-bedingt werden die Klient*innen derzeit aufsuchend in ihren Wohnungen begleitet. Das Angebot richtet sich nach den Wünschen der Menschen. In kleinen Gruppen spazieren zu gehen, gehört oft dazu. Einmal die Woche besucht Therapiehund Samira die Senior*innen. Das ist immer ein besonders schöner Tag.
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