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Die NRD wurde sein Lebenswerk: Vorstand Walter Diehl geht in den Ruhestand

26.01.2017 | Andreas Nink

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Andreas Nink

Leiter der Abteilung Kommunikation und Fundraising der NRD

Die NRD wurde sein Lebenswerk: Vorstand Walter Diehl geht in den Ruhestand

Nach 34 Jahren in der NRD wird Walter Diehl am heutigen Freitag (27. Januar) in den Ruhestand verabschiedet. Gut, dass er länger geblieben ist, als die ursprünglich vorgesehenen fünf Jahre. Denn Walter Diehl hat den erfolgreichen Weg der NRD ganz wesentlich gebahnt und mitgestaltet.

Als Walter Diehl 1982 kam, befand sich die damals noch unter Nieder-Ramstädter Heime firmierende Einrichtung in einer sehr kritischen finanziellen Situation. Notwendige Zuschussanträge waren nicht gestellt, angemessene Kostensätze nicht verhandelt, Akten verlegt, die Auszahlung der nächsten Gehälter gefährdet. Es musste dringend ein neuer Verwaltungsleiter her.

Gesucht war eine erfahrene Führungskraft. Unter den Bewerbern war der mit 31 Jahren noch sehr junge Diplom-Betriebswirt Walter Diehl. Die überwiegend älteren Vorstände waren skeptisch, entschieden sich aber schließlich für ihn. „Das war ein Glück für die NRD“, sagt Dr. Gerhard Schmidt, der damals an der Personalauswahl beteiligt war und den NRD-Vorstand während seiner gesamten Dienstzeit, zuletzt als Vorsitzender des Stiftungsrats, begleitet hat.

Zivildienst war ausschlaggebend

„Ich dachte eigentlich, ich werde einmal Techniker, so wie meine drei älteren Brüder“, sagt Walter Diehl, „aber mein Zivildienst hat meine Ziele verändert“. Geboren 1951 und aufgewachsen in Esslingen, erlernte er zunächst einen kaufmännischen Beruf und arbeitete anschließend in einem Betrieb. Nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer leistete er seinen Zivildienst in der Diakonie Stetten. Dort kam er mit der Behindertenhilfe in Berührung. Anders als erwartet, wurde er nicht in der Betreuung, sondern in der Verwaltung eingesetzt und sofort mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut. So fand er zu seinem Studienfach: Nachdem er das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt hatte, studierte er Betriebswirtschaft an der Hochschule Nürtingen. Auch in den Semesterferien jobbte er in der Verwaltung der Diakonie Stetten und wurde nach seinem Studienabschluss dort Assistent des kaufmännischen Vorstands. Nach zwei Jahren übernahm er die Leitung des Finanz- und Rechnungswesens. Bis die NRD rief.

Am Anfang hatte sich Walter Diehl auf die betriebswirtschaftlichen Themen konzentrieren müssen. Denn vor allen anderen Fragen stand die Herausforderung, den wirtschaftlichen Betrieb wieder zum Laufen zu bringen. Gerhard Schmidt erinnert sich: „Er legte gegenüber den Kostenträgern und anderen Partnern ein außerordentliches Verhandlungsgeschick an den Tag. Es gelang ihm, die Kohlen aus dem Feuer zu holen und Anträge bewilligt zu bekommen, deren Fristen längst abgelaufen waren.“

Zu dieser Zeit gab es in der NRD – wie in den meisten ähnlichen Einrichtungen – noch keinen kaufmännischen Vorstand. Die Einrichtung wurde vom Pfarrer geleitet, danach kam in der Hierarchie gleich der leitende Arzt. Zwar galt, wie Dr. Schmidt sagt, die Devise, „der Pfarrer kann alles“, aber die Erfahrung zeigte, dass die Theologen in diesem konkreten Fall mit der Kontrolle des Verwaltungsleiters überfordert waren. Die negative Erfahrung mangelnder Kontrolle und der gelungene Start des neuen Verwaltungsleiters führten bereits 1984 zu einer Satzungsänderung und zur Aufnahme des Verwaltungsleiters in den Vorstand. Somit ist Walter Diehl auch der erste kaufmännische Vorstand der NRD. Die Betriebswirtschaft erhielt damit einen hohen Stellenwert.

Lebensbedingungen rücken in den Fokus

Bis zur Satzungsänderung von 1984, die den Vorstand auch um einen Pädagogen erweiterte, war die NRD endgültig und langfristig konsolidiert. Es hat aber den dritten pädagogischen Vorstand gebraucht, um eine inhaltliche Kursänderung in der NRD herbeizuführen. Hans-Christoph Maurer sorgte ab 1992 für eine präzise Neuentwicklung der Betreuung.

Maurer wusste, was er wollte. Er übte harsche Kritik an den bestehenden Betreuungskonzepten und ließ nicht locker, die Praxis zu verändern. In Walter Diehl fand er den Mitstreiter, der wie er die Lebensbedingungen der in der NRD betreuten Menschen verbessern wollte. Für Diehl war die gesunde finanzielle Basis die Voraussetzung für die notwendigen Veränderungen. „Es ging mir immer darum, etwas zu tun, das die Lebensbedingungen von Menschen verbessert“, sagte Diehl, „reine Bürokratie hat mich nie interessiert.“

Anfang der 1980er Jahre wohnten mehr als 200 Männer im Bodelschwingh-Haus. Ein für damalige Zeiten modernes Haus war bereits in Planung: die Arche. Diverse Um- und Anbauten auch in den Häusern Magdala und Eben Ezer schafften Entlastung, um die großen Schlafsäle in Zwei- und Dreibettzimmer umwandeln zu können. Der erste Schritt heraus aus dem Heimgelände war 1994 der Wohnkomplex Pulvermühle. Die revolutionäre Idee, Menschen mit Unterstützungsbedarf in ihren Herkunftsorten Wohnangebote zu machen, nahm um die Jahrtausendwende mit der Planung der Standorte Erbach, Groß-Bieberau und Mörfelden ihren Anfang. Die neuen Standorte, jeweils als Komplexe mit mehreren Häusern für insgesamt 48 Plätze konzipiert, hatten eine Wohnhausarchitektur, waren aber durch ihre Größe immer noch kleine Heime.

Mit zunehmender Erfahrung setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Anstaltsangebote durch kleinteilige Angebote in der Region ersetzt werden müssen und dass auf dem Kerngelände noch maximal 60 Plätze verbleiben sollen. Vor allem die großen alten Häuser in Nieder-Ramstadt sollten ersetzt werden.

Generell gilt, dass ein Haus ungefähr alle dreißig Jahre aufgrund von Abnutzung und sich ändernder Wohnkonzepte grundlegend renoviert werden muss. So betrachtet ist der Aufwand, gleich neu zu bauen, nicht mehr so gewaltig. Jedoch sind kleine Häuser in Bezug auf die Wohnplätze teurer in der Herstellung. Und die benötigten Grundstücke müssen gekauft werden.

Über diese Ideen und Lösungswege zu ihrer Realisierung musste der Vorstand mit dem Kostenträger verhandeln. So ist es gelungen, gemeinsam mit dem Sozialministerium und dem Landeswohlfahrtsverband Hessen immer wieder Modellprojekte zu vereinbaren.

Gerhard Schmidt hebt Walter Diehls Verhandlungsgeschick hervor: „Er legte die Wahrheit auf den Tisch und versuchte, sein Gegenüber zu überzeugen, dass es nicht anders geht als gefordert.“ Darin ähnelten sich Diehl und Maurer, deshalb war es ihnen möglich, die Praxis in der NRD gemeinsam zu ändern. Auch Pfarrer Wilhelm Weiland, der später Pfarrer Gunkel als theologischen Vorstand ablöste, trug die inhaltlichen Vorstellungen seiner Kollegen mit.

Nach dem altersbedingten Ausscheiden von Pfarrer Weiland wurde der theologische Vorstand als nicht mehr zwingend angesehen und die Zahl der Vorstandsmitglieder auf zwei reduziert. Das führte zu mehr Effizienz in der Vorstandsarbeit.

Zuvor war schon die Position des Leitenden Arztes im Vorstand gestrichen worden. Dies war sichtbarer Ausdruck für die Abwendung von einer Praxis, die Behinderung mit Krankheit gleichsetzte.

Die bedeutendste strukturelle Veränderung, an der Diehl mitwirkte, war die vom Stiftungsrat beschlossene Umwandlung des altrechtlichen Vereins in den heutigen Stiftungsverein. Die Stiftungsratsmitglieder sind gleichzeitig die Mitglieder des Vereins. Darüber hinaus hat der Verein keine weiteren Mitglieder.

Vielseitig aktiv, gut vernetzt

Der Württemberger Walter Diehl, der nach Hessen zog, um hier zu arbeiten, ist im Laufe der Jahrzehnte ein Mühltaler geworden. Er engagierte sich umfassend auf kommunaler Ebene in der Gemeinde, in Südhessen und in Rheinhessen, und baute Kontakte und Verbindungen auf, die der NRD halfen. Denn die Stimmung der NRD gegenüber war in Mühltal nicht immer positiv. Das hatte seinen Grund in der Geschichte: die NRD war „von oben“ gegründet worden, durch einen großherzoglichen Erlass. Sie erhielt in der Anfangszeit Gelände zugewiesen, kaufte später Äcker auf. Hinter ihren Mauern sammelten sich Menschen an, die anders waren.

Walter Diehl nutzte jede Gelegenheit, die NRD positiv ins Gespräch zu bringen und Verständnis für die Themen und Anliegen zu wecken. Er hat unendlich viele Gespräche geführt und Sitzungen besucht, Abende und Wochenenden investiert – neben etlichen langjährigen ehrenamtlichen Funktionen in Kirche und Diakonie auf Bundes- und Landesebene.

Heute ist der Kontakt zur Gemeinde Mühltal intensiv. Die NRD ist ein wichtiger Akteur in Mühltal, der Projekte wie die Entwicklung von Gewerbegebieten vorantreibt, den Kreisverkehr in der Bergstraße finanziert und am Fliednerplatz und neuerdings am Dornberg Quartiersentwicklung betreibt.

Über die Region hinaus hat die NRD ein gutes Image. Bürgermeister fragen an, ob die NRD in ihren Gemeinden nicht Wohnangebote schafft. Mehrfach in der Unternehmensgeschichte wurden ins Strudeln geratene Träger übernommen, zuletzt die Behindertenhilfe Dieburg. „Die NRD hat innovative Kraft“, hat ihr jüngst der Bundestagsabgeordnete Jens Zimmermann bescheinigt. Ihre Innovationsfähigkeit beweist sie u. a. dadurch, dass sie angesichts sich verändernder politischer Rahmenbedingungen aus sich heraus den Gedanken der Arbeit für Menschen mit Behinderungen weiterdenkt. Die Gründung von Integrationsbetrieben nimmt sie auf eigenes Risiko selbst in die Hand.

Als Walter Diehl anfing, war die NRD an zwei Standorten aktiv und hatte etwas mehr als 400 Mitarbeitende. Heute sind es gut 2.300 Mitarbeitende an 50 Standorten in Süd- und Rheinhessen. Die NRD ist ein bedeutender Träger der Jugend- und Behindertenhilfe mit einem breiten und bedarfsgerechten Angebot sowie einem auf die Gemeinde Mühltal zugeschnittenen Angebot der Altenhilfe. Wenn Walter Diehl die NRD Ende Januar 2017 verlässt, ist sie gut für die Zukunft aufgestellt.

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