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Denn alles Leben ist Begegnung

02.05.2016 | Marlene Broeckers

Autor

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Marlene Broeckers

Texterin der NRD

Denn alles Leben ist Begegnung

Gleichzeitig mit dem Beschluss des Stiftungsrates, alle Wohnangebote der NRD zu regionalisieren, hat der NRD-Vorstand im Jahr 2005 eine Vision für die zukünftige Entwicklung des NRD-Geländes in Nieder-Ramstadt formuliert: Das Gelände im Herzen Mühltals solle sich zu einem Quartier entwickeln, in dem Menschen jeden Alters mit und ohne Behinderung leben, arbeiten, einkaufen und ein gutes Miteinander pflegen. Mit der neuen Bebauung des Fliednerplatzes ist der Mittelpunkt dieses Quartiers nun geschaffen worden und damit bestehen gute Voraussetzungen, dass die Vision eines sozialen und inklusiven Miteinanders gelebte Wirklichkeit wird. Die Umwandlung des Anstaltsgeländes zum Quartier findet internationale Beachtung – in diesem Tagen besuchen Einrichtungsleiter aus Norwegen die NRD – und begeisterte Zustimmung bei den Nutzern.                                         

Ehepaar Röttgen

Gespannt darauf, was sich am Fliednerplatz entwickelt: Margot und Roland Röttgen

„Wir haben schon sehr früh den Wink bekommen, dass sich am Fliednerplatz etwas Interessantes tun wird“, sagt Roland Röttgen, der mit seiner Frau Margot eine Wohnung im Haus 4 gemietet hat. Schon 2012 hat das Ehepaar Kontakt zu Ulrich Bock, dem Leiter des Service- und Gebäudemanagements in der NRD, aufgenommen und sobald die ersten Pläne vorlagen, die Wohnung ausgesucht. Der Blick vom großen Balkon geht nach rechts zur NRD Altenhilfe und geradeaus auf den Fliednerplatz.

30 Jahre haben die Röttgens in Zwingenberg gelebt, die letzten acht Jahre vor dem Umzug in Bensheim-Auerbach. Da die beiden Kinder längst erwachsen sind und weit weg leben haben Margot und Roland Röttgen schriftlich fixiert, was sie sich für ihr Leben im Alter wünschen: Oben wohnen, sonnig, nicht unbedingt zur Straße, ohne Gartenarbeit, mit pflegerischer Unterstützung in der Nähe. „Das war ja hier alles erfüllt und der Neustart bringt uns in Schwung“, sagt Roland Röttgen, „wir sind sehr gespannt, was sich hier entwickelt und möchten auch aktiv dazu beitragen.
Margot und Roland Röttgen repräsentieren perfekt „die neuen Alten“: Sie werden 2018 ihre Goldene Hochzeit feiern, sind aber mit Mitte 70 immer noch höchst aktiv, kommunikativ und sozial interessiert – mit Berufung auf den jüdischen Philosophen Martin Buber, der sagt: Alles Leben ist Begegnung. Weil „Tanzsport die ideale Bewegung für Senioren ist“, setzen sie ihr vor zehn Jahren begonnenes Hobby im Bürgerzentrum Traisa fort, außerdem gehen sie regelmäßig zur Gymnastik, machen Nordic Walking und wandern einmal im Monat in einer Gruppe.

Drei Generationen in zwei Häusern

Das Miteinander von drei Generationen praktiziert die Familie Lentzen aus Bickenbach mit sechs Personen und einigen Katzen in vier Wohnungen am Fliednerplatz. Die Älteren und die Jungen wohnen im Haus 6, die mittlere Generation im Haus 4. „Unsere älteste Tochter, die in der NRD Altenhilfe arbeitet und mit ihrem Mann hierher ziehen wollte, hatte die Idee. Wir sind hier phantastisch angekommen und bereuen es nicht“, sagt Lieselotte Lentzen. Das Familienprojekt am Fliednerplatz hat auch die beiden Enkelinnen bewogen, das „Hotel Mama“ zu verlassen und im Haus 6 je eine eigene Wohnung zu mieten. Beide jungen Damen arbeiten in Wiesbaden und besuchen mindestens einmal die Woche Oma und Opa, wo es immer was Leckeres zum Essen gibt.

„Die Wohnung, die wir uns ausgesucht haben, ist in jeder Hinsicht prima“, sagt Lieselotte Lentzen, „obwohl rundherum noch Baulärm ist, man hört gar nichts davon, wenn die Fenster zu sind. Mein Mann und ich profitieren als Asthmatiker von dem Belüftungssystem: Wir brauchen beide weniger Spray.“.

Nette Kontakte im Haus haben die Lentzens schon geknüpft, zum Beispiel zu Ursula Kowalewski, die mit 71 Jahren aus nächster Nähe in den Fliednerweg umgezogen ist: „Es ist ausgesprochen schön hier. Das war die richtige Entscheidung“, sagt sie. Sie mag die Lage ihrer Wohnung mitten im Ort, wo sie das meiste zu Fuß erledigen und auch schön spazieren gehen kann. Auch die Nähe zur Lazaruskirche gefällt ihr: „Ich habe schon Kontakt zur Pfarrerin Claudia Allmann und ich mag auch die Gottesdienste zusammen mit behinderten Menschen.“

Ungeduldig hat Andrea Fischer, 48, auf den Einzugstag im November 2015 gewartet. Aufgrund ihrer MS-Erkrankung konnte sie in den letzten Monaten ihre Wohnung in Darmstadt nicht mehr verlassen: „Im 2. Stock ohne Aufzug, das ging nicht mehr“. Auch im Fliednerweg 4 wohnt sie jetzt im 2. Obergeschoss, ist aber dank des Aufzuges wieder beweglich. Dass unsere Gesellschaft und vor allem auch das Arbeitsleben von wirklicher Inklusion noch weit entfernt ist, belegt das Beispiel von Andrea Fischer. Ihren Beruf als Augenoptikermeisterin könnte sie unter passenden Rahmenbedingungen durchaus weiter ausüben – doch daran fehlt es.

Andrea Fischer hat ihre Wohnung sonnengelb streichen lassen und genießt den Blick über den Fliednerplatz in den Park. Die meisten Einkäufe erledigt sie über Internet, frische Sachen besorgen ihr die Eltern.

„Ein Zugewinn für alle“

Wenn Hans-Jürgen Klapp Recht behält, werden zukünftig vielleicht auch NachbarInnen am Fliednerplatz füreinander einkaufen. „Wir sind begeistert von diesem Wohnangebot“, sagt er, „so etwas haben meine Frau und ich seit 20 Jahren gesucht: barrierefrei, mehrere Generationen, Menschen mit und ohne Behinderung, das ist ein Zugewinn für alle.“

Man muss ja nicht immer selbst kochen. Einige MieterInnen gehen regelmäßig in die NRD-Cafeteria zum Mittagessen. Freitags lockt zusätzlich das „Café Blänkle“ mit frischem Streuselkuchen. Unser Bild zeigt von links Torget und Hans-Jürgen Klapp mit Ottilie Wüllenweber (rechts), stehend Heide-Marie dumschat, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Café Blänkle.

Der gebürtige Darmstädter, der in Ernsthofen aufgewachsen ist und mit seiner fünfköpfigen Familie lange Zeit im Vogelsberg lebte, hat mit seiner Frau Torgert schon ein anderes Wohnprojekt in Wächtersbach ausprobiert: „Ebenfalls barrierefreies Wohnen und die Option, ambulante Unterstützung zu erhalten, wenn es nötig wird. Das Problem dort aber war, dass die Wohnungen nur an Menschen ab 50 Jahren vergeben wurden. Faktisch war der Altersdurchschnitt um die 80 Jahre und alle Gespräche drehten sich um Krankheiten. Dem haben wir dann lieber den Rücken gekehrt“.

Auch in den 46 Wohnungen am Fliednerplatz ist der Altersdurchschnitt von ca. 55 Jahren relativ hoch. Viele MieterInnen haben sich von ihren Häusern getrennt und sich verkleinert, um in barrierefreien Wohnungen im Alter besser zurecht zu kommen. Auch die Nähe zur NRD Altenhilfe spielte für manche eine entscheidende Rolle. Doch die Wohnqualität im Passivhaus-Standard und die gute Lage ist auch für Jüngere höchst attraktiv – in bislang zwei Wohnungen krähen Kleinkinder. Das „jüngste“ Haus ist Nr. 10, wo es zwei junge Paare und ein Baby gibt. Mit Patrick und Claudia Slomski aus Bremerhaven verfügt das Haus auch über zwei echte Nordlichter. „Wir haben vorher am Hauptbahnhof in Darmstadt gewohnt“, sagt der Wirtschaftsingenieur Patrick Slomski, „in einem Haus mit fast 400 Wohnungen mit Null Kontakt untereinander. Wir wollten uns vergrößern und es auch schöner haben.“ Vom Fliednerweg aus fährt er morgens nach Frankfurt zur Arbeit, seine Frau nach Darmstadt. „ Hier gefällt es uns super. Die Wohnung mit Blick auf den Frankenstein ist top.“

Alle freuen auf den Frühling, wenn die Baustellenzeit zu Ende ist, alles grünen und blühen wird und die Menschen wieder mehr draußen sein können. Neben zwei Physiopraxen und dem Reisebüro Mühltal gibt es nun auch einen Friseursalon auf dem Gelände, am 1. Mai wird eine Zahnarzt-Praxis eröffnet und voraussichtlich ab Spätsommer wird es auch ein gastronomisches Angebot geben.

Bislang stehen zwei Fahrzeuge an der Mühltaler Carsharing-Station am Fliednerplatz zur Verfügung. Wenn die Nachfrage groß genug ist, können es auch es auch mehr werden.

„Uns gefällt es sehr gut hier“, sagt Patrick Braun, Geschäftsführer des Reisebüros Mühltal, das ebenso wie der Friseursalon Thieme von der Eberstädter Straße auf den Fliednerplatz umgezogen ist. Sein Geschäft lebt vor allem von sehr vielen Stammkunden, von denen manche allerdings beklagen, dass sie den Weg nicht so leicht gefunden haben. „Tatsächlich ist der Fliednerplatz von der Straße her nicht zu sehen“, sagt Braun, „da muss noch ein bisschen Werbung gemacht werden“. Er hofft, dass es gelingt, den Wochenmarkt auf den Fliednerplatz zu holen, damit auch mehr Mühltaler den Weg ins Quartier finden und entdecken, „wie wunderschön es hier ist.“

Cafeteria

Das Ehepaar Klapp und Frau Wüllenweber beim Mittagessen in der Cafeteria der NRD. Frau Dumschat, ehrenamtliche Mitarbeiterin des freitäglichen Kaffee-und-Kuchen-Angebotes "Café Blänkle", lockt mit frischem Kuchen.

1  Kommentar

  • Bechtold
    02.05.2016 19:11 Uhr

    Ich finde die Entwicklung der Stiftung Nieder Ramstädter Diakonie unglaublich gut! Es ist schön zu sehen wie die Pläne, die eine lange und gut durchdachte Vorbereitungszeit brauchen, Realität werden. Ich bin selbst ,seit meinem Zivildienst 1996 , mit 2 jähriger Unterbrechung , in der Diakonie tätig und habe viele Veränderungen mitbekommen. Ich bin auf die Zukunft gespannt und bin sicher das es eine gute wird!

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  • Inklusion...

    ... bedeutet, dass es keine Grenze gibt, die "behindert" von "nicht-behindert" unterscheidet. Das Wichtigste, um Inklusion zu erreichen, ist Zusammensein von Anfang an. 

    Inklusion...
    Andrea Söller,
    Vorsitzende Werkstattrat der Mühltal-Werkstätten
Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie

© Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie
Bodelschwinghweg 5  -  64367 Mühltal  -  Tel.: (06151) 149-0  -  Fax: (06151) 144117  -  E-Mail: info@nrd.de

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