Sichtbare Spuren behinderten Lebens

MÜHLTAL.- Noch bis zum 27. September ist in der Nieder-Ramstädter Diakionie (NRD) in Mühltal die Ausstellung „Leben im Wandel der Zeit“ zu sehen, die zum 100-jährigen Bestehen des Hauses Bodelschwingh auf dem Kerngelände der NRD realisiert wurde. Als „Männerhaus“ im September 1909 eröffnet, spiegelt das Haus Bodelschwingh die Geschichte der Behindertenhilfe in den vergangenen hundert Jahren wider. Zwar war die Gründung von Großeinrichtungen im Zeitalter der Industrialisierung durchaus zeitgemäß und auch fortschrittlich, denn dadurch wurde Menschen mit Epilepsie und geistiger Behinderung erst eine angemessene medizinische Versorgung zuteil. Zugleich bedeutete das Leben in „Anstalten“ aber auch ein Leben im Plural mit dem Verzicht auf Individualität und jegliche Intimsphäre. In Bildern, Texten und Tondokumenten blickt die Ausstellung zurück in die Vergangenheit und zeigt auch die gegenwärtige Entwicklung der NRD: Die Regionalisierung von Wohnplätzen mit dem Ziel von mehr Teilhabe und Integration in die Gesellschaft. Die Ausstellungsfläche im 1. Stock des Bodelschwingh-Hauses war bis vor kurzem noch bewohnt von 14 Menschen mit Behinderung, die inzwischen in ein neues Haus in Seeheim umgezogen sind. Nach und nach ziehen alle Menschen aus dem Bodelschwingh-Haus aus, das in zwei Jahren geschlossen und einer anderen Nutzung zugeführt werden soll. Insgesamt wird die NRD in den nächsten Jahren 400 stationäre Wohnplätze in Nieder-Ramstadt aufgeben und in ganz Südhessen in kleinen Wohneinheiten anbieten. Die Ausstellung ist montags bis freitags jeweils von 15 bis 18 Uhr geöffnet, sonntags von 11 bis 18 Uhr. Führungen für Schulklassen und andere Gruppen können telefonisch vereinbart werden unter 06151 149 3591. mb   Bildtext: „Das bin ich in Seeheim“, erklärt Utz Boetzkes einer Besucherin der Ausstellung „Leben im Wandel der Zeit“ im Haus Bodelschwingh der NRD. Bis vor kurzem hat Boetzkes im früheren Männerhaus der NRD gelebt, das vor hundert Jahren eröffnet wurde. Vor kurzem zog er an die Bergstraße um.                    Marlene Broeckers