Wenn Sie hier klicken, erlauben Sie die Anzeige des Spendenbuttons. Datenschutzinformationen

Arbeiten, wenn andere sich erholen

27.12.2023 |  Gastautor

Autor

 Gastautor

Arbeiten, wenn andere sich erholen

Wie kommen Mitarbeitende mit dem Nachtdienst zurecht? Warum arbeiten sie gerne nachts, was sind Herausforderungen, wie finden sie Ruhe? Wir haben drei Mitarbeiterinnen der NRD interviewt.

Doris Solgun ist Mitarbeiterin im Nachtdienst in der Wohngruppe Wallertheim
Doris Solgun ist Mitarbeiterin im Nachtdienst in der Wohngruppe Wallertheim

Frau Solgun, wie lange arbeiten Sie schon im Nachtdienst?
Ich arbeite schon seit 21 Jahren im Nachtdienst beim NRD-Wohnverbund in Wallertheim. Hier leben 62 Erwachsene verschiedener Altersgruppen in acht Wohneinheiten zusammen. Nach der Geburt meiner Kinder habe ich direkt als Wiedereinstieg mit dem Nachtdienst angefangen. 

Mit drei Kindern in der Nachtschicht zu arbeiten – das klingt erst einmal stressig …
Aber das ging sehr gut. Ich habe immer von 20.15 bis 6.15 Uhr gearbeitet und dann vormittags ab 7 Uhr etwa fünf Stunden geschlafen. Mittags war ich dann da, wenn die Kinder nach Hause kamen. So habe ich viel Zeit mit ihnen verbracht. Abends hat dann mein Mann nach ihnen geschaut. Allerdings habe ich nie Vollzeit gearbeitet, sondern 50 bis 60 Prozent – also acht Nächte im Monat. So konnte ich sehr gut meine Familie mit meiner Arbeit vereinbaren.

Arbeiten Sie gerne nachts?
Ja, nachts ist es ruhiger und ich kann mich mehr auf die einzelnen Menschen konzentrieren. Ich bin kein ängstlicher Mensch, mir macht es auch nichts aus, nachts Rundgänge zu machen. Ich bin gerne draußen unterwegs, da ich immer viel von der Natur mitbekommen habe. So habe ich während eines Rundgangs das erste Mal eine Nachtigall singen hören. 

Welche Aspekte der Nachtschichtarbeit finden Sie besonders herausfordernd?
Menschen verhalten sich nachts anders als tagsüber. Die individuellen Bedürfnisse müssen erkannt werden, da braucht es viel Vertrauen. Schwerst-mehrfach-behinderte Menschen müssen auch nachts umfassend gepflegt werden. Die Kommunikation ist z. T. nur über Gebärden möglich. Aber mit der Zeit lernt man die Menschen gut kennen. Wenn es Notfälle gibt, kann ich jemanden anrufen. Ich genieße das Zusammenarbeiten, den Austausch mit einer Kollegin, arbeite aber auch gerne allein. Herausfordernd ist,
dass ich tagsüber genug Schlaf bekommen muss. Das gelingt mir heute schlechter als vor 20 Jahren. Jetzt muss ich immer überlegen, wie ich mich erhole.

Wie lassen sich Hobbys mit der Nachtschicht vereinbaren?
Ich habe eine Zeit lang im Chor gesungen, aber das war schwierig, weil ich oft auch am Wochenende Dienst hatte und dort viele Termine oder Konzerte waren. Grundsätzlich wird jedoch Rücksicht auf Termine genommen.

Sie sind inzwischen in Rente und arbeiten immer noch als Geringfügig Be-schäftigte in Wallertheim?
Ja, ich bin dem Nachtdienst treu geblieben, sogar, als die Kinder größer wurden. Ich mag die Beständigkeit! Im Moment arbeite ich noch zwei Nächte pro Monat und freue mich, dass ich die Verbindung zu den Menschen bewahren kann.

Kerstin Henrich arbeitet in der NRD-Altenhilfe in Mühltal.
Kerstin Henrich arbeitet in der NRD-Altenhilfe in Mühltal.

Kerstin Henrich absolvierte ihr Examen zur Altenpflegerin 1992. Seit 2008 arbeitete sie in der NRD in der Eingliederungshilfe im Tag- und später im Nachtdienst. Seit Mai 2022 ist sie bei der NRD-Altenhilfe in Mühltal tätig und hat dort direkt im Nachtdienst angefangen. Hier kümmert sie sich von 20.30 Uhr bis 6.45 Uhr um 48 Bewohnerinnen und Bewohner. „Ich mag das ruhige Arbeiten im Nachtdienst", erzählt sie. Die Arbeitszeiten kommen ihrem Naturell entgegen, denn sie ist ein Nachtmensch. Bei ihren nächtlichen Rundgängen besucht sie jedes Zimmer. Sie kümmert sich dabei um die Pflege der Menschen, verabreicht Medikamente und versorgt Diabetes-Patient*innen. Oft brauchen die Bewohner*innen des Hauses am Fliednerplatz auch jemanden zum Reden, wenn sie nicht einschlafen können. Dann kocht Kerstin Henrich Tee und hält auch mal die Hand. „Mein Job nachts in der Altenpflege ist gut zu bewältigen und nicht mega stressig. Ich habe immer Zeit für Einzelgespräche. Das ist tagsüber meist anders“. In den Ruhephasen isst sie oft eine Kleinigkeit, liest oder schaut fern. Die größte Herausforderung in ihrem Job sind an Demenz erkrankte Menschen. Bisher musste sie noch nie den Bereitschaftsdienst rufen, sie arbeitet gerne allein. 

Mit dem verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus kommt sie gut zurecht. „Nachts zu arbeiten ist Gewöhnungssache. Glücklicherweise kann ich tagsüber gut schlafen." Wichtig ist, dass man am Tag nach der Nachtschicht früh um 8 Uhr aufsteht. Ein großer Vorteil ist, dass das Haus tierfreundlich ist. So kann sie ihren Mischlingshund George mit zur Arbeit bringen, der sie bei ihren Rundgängen begleitet und auch psychosoziale Arbeit leistet. „Die meisten Leute freuen sich über meinen Hund, einige kaufen sogar Leckerlis. Altenpflege ist mein Wunschjob. Ich wollte schon immer mit älteren Menschen arbeiten.“ Mit ihrer 85-Prozent-Stelle in der Altenpflegehilfe ist sie flexibel. „Mit dem Nachtdienst bin ich voll und ganz zufrieden“, lautet ihr Resümee. In ihrer Freizeit geht sie gerne wandern und verreist oder hört Musik aus den 80er Jahren und liest.

Andrea Kölsch-Rübeck, KiJuFa-Wohngruppe Blaues Haus, Groß-Gerau
Andrea Kölsch-Rübeck, KiJuFa-Wohngruppe Blaues Haus, Groß-Gerau

Frau Kölsch-Rübeck, können Sie etwas zu Ihrer Arbeit erzählen …
Wir betreuen hier eine Wohngruppe mit aktuell neun Jugendlichen, die wir vom Jugendamt überwiesen bekommen. Tagsüber gehen sie in die Schule oder machen eine Ausbildung. Wir haben eine sehr familiäre Atmosphäre. Ich liebe meinen Job und die Arbeit mit den Jugendlichen, die sehr individuell ist. 

Wie sind Ihre Arbeitszeiten im Nachtdienst und wie läuft das ab?
Meine Zeiten sind wochentags von 18.30 bis 23 Uhr und dann von 6 bis 9.45 Uhr, am Wochenende von 18.30 bis 24 Uhr und dann 9 bis 14 Uhr – so die Theorie. Wir haben ein kleines Zimmer zum Schlafen. Nicht immer ist um Punkt 23 Uhr Feierabend. Manchmal dauern Gespräche mit den Jugendlichen einfach
etwas länger und diese wertvollen Momente möchte man dann nicht abwürgen. Es dauert also, bis ich wirklich zur Ruhe komme, oft lese ich dann noch oder sehe fern.

Können Sie nach 23 Uhr wirklich schlafen?
Der Schlaf ist natürlich nicht so gut wie zuhause, weil es auch vorkommt, dass er unterbrochen wird. Bewohner*innen werden nachts wach, weil es ihnen körperlich oder psychisch nicht gut geht. Zudem kann es vorkommen, dass wir Anrufe von der Polizei oder dem Jugendamt in Groß-Gerau bekommen, weil Jugendliche Hilfe brauchen und unser Notbett in Anspruch nehmen. Aber im Moment sind die Nächte überwiegend ruhig. Dennoch habe ich immer ein Ohr am Geschehen und schlafe selten mehr als fünf Stunden.

Wie kommen Sie damit zurecht?
Da ich eigentlich eine Nachteule bin, ist es für mich o.k. Zum Glück habe ich die Gabe, dass ich überall schlafen kann, auch tagsüber. Man muss generell mit wenig Schlaf auskommen. 

Hätten Sie lieber einen 9-to-5-Job?
Nein, jeden morgen früh aufstehen und bis 17 Uhr arbeiten – das kann ich mir nicht vorstellen. Der Vorteil am Nachtdienst ist, dass ich auch tagsüber Termi ne vereinbaren kann. 

Sie haben mit dem Nachtdienst vor 13 Jahren angefangen, als ihre Kinder noch kleiner waren. Wie hat das funktioniert?
Das ging gut. Ich war dann tagsüber da, wenn die Kinder von der Schule kamen. Wenn ich gearbeitet habe, haben mein Mann oder die Großeltern auf sie aufgepasst, inzwischen sind die Kinder aber alle erwachsen.

Wie sieht es mit Freunden und Hobbys aus?
Ich bin ein sehr geselliger Mensch und treffe mich gerne mit Freunden. Feste Termine habe ich nicht, das ist im Schichtdienst schwierig. In meiner Freizeit puzzle ich gerne, da kann ich sehr gut abschalten.

Bericht: Martina Noltemeier

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar zu dieser Seite

Antwort auf:  Direkt auf das Thema antworten

Jetzt Spenden

Menschen mit Behinderung brauchen Ihre Hilfe!

 
  • Inklusion ...

    ... ist das problemlose Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung. 

    Inklusion ...
    Rudi Cerne,
    TV-Moderator und Aktion Mensch-Botschafter
Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie

© Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie
Bodelschwinghweg 5  -  64367 Mühltal  -  Tel.: (06151) 149-0  -  Fax: (06151) 144117  -  E-Mail: info@nrd.de

Datenschutzhinweis

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Bei Cookies unserer Partner (z. B. Altruja für Spenden) können Sie selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen. Datenschutzinformationen