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Ziemlich beste Freunde

04.04.2018 | Andreas Nink

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Andreas Nink

Leiter der Abteilung Kommunikation und Fundraising der NRD

Ziemlich beste Freunde

In der Ober-Ramstädter Hundertwasserallee stehen zwei moderne Wohnhäuser, die sich von den übrigen Häusern im Neubaugebiet auf dem ehemaligen MIAG-Gelände nicht unterscheiden. Nur findet hier nicht das übliche Familienwohnen statt. Hier wohnen 16 Menschen unterschiedlichen Alters, die von der NRD in der Bewältigung ihres Alltags unterstützt werden.

Einer von ihnen ist Daniel Horlitz, der in einem der beiden Häuser ein Einzimmerapartment bewohnt. Der 36-Jährige lebt nicht nur in Ober-Ramstadt, er arbeitet auch dort. Als Beschäftigter der NRD-Mühltal-Werkstätten hat er einen sogenannten Außenarbeitsplatz, nicht weit von seinem Zuhause bei Caparol, dem weltbekannten Farbenhersteller. Daniel Horlitz ist stolz darauf, zur großen Caparol-Familie zu gehören.

Daniel Horlitz‘ bester Freund ist Thomas Hötzel. Die beiden haben sich vor vielen Jahren in Kinder- und Jugendhaus Haus Eben Ezer in Nieder-Ramstadt kennengelernt. Thomas Hötzel kam bereits als Baby in die NRD und lebt seit 25 Jahren nicht mehr im Wohnheim. Stolz bezeichnet er sich selbst als den „dienstältesten Klienten des Betreuten Wohnens“. Thomas Hötzel hielt Kontakt zu seinem Freund, nachdem er vom Zentralgelände weggezogen war. „Besuche waren aber nicht erwünscht“, sagt Thomas Hötzel. Das wurde erst viel später einfacher, als Daniel Horlitz bereits in Ober-Ramstadt wohnte.

Männerabende mit Fußball

In seinem Apartment steht ein Gästebett, das Thomas Hötzel benutzt, wenn er über Nacht bleibt. Das macht er regelmäßig einmal im Monat am Wochenende. Die beiden Fußballfans haben dann ihren „Männerabend“ und schauen sich im Fernsehen gerne die Bundesligaspiele an. Obwohl sie unterschiedlichen Vereinen folgen: Daniel ist – „selbstverständlich!“ – Fan der Darmstädter Lilien, Thomas dagegen zieht Bayern München vor. Gerne gehen sie auch zusammen aus. Dann besuchen sie die „Bartholomäusschenke“ in Ober-Ramstadt, wo sie gerne gesehene Gäste sind. Die Wirtsleute Ute und Franz haben sie ins Herz geschlossen.

An diesen Wochenenden gehen sie gemeinsam zum Frühstücken hinüber in das zweite Haus der NRD-Wohneinrichtung, wo es eine große Wohnküche gibt. Dort freut sich dann Teamleiter Amin Ali oder jemand anderes vom Betreuungsteam über die Hilfe beim Zubereiten des Frühstücks oder beim anschließenden Abräumen. Daniel und Thomas helfen auch gerne hinterher bei anderen Haushaltstätigkeiten wie Wäsche sortieren oder Kartoffeln schälen. Auch Thomas‘ Ehefrau Elvira Hötzel kommt sonntags morgens gerne dazu. Sie nutzt den freien Abend, um ihrerseits bei einer Freundin zu übernachten.

Daniel, Thomas und Elvira feiern auch zusammen Weihnachten. Daniels Pflegemutter lebt in Erbach im Rheingau. Gemeinsam fahren sie am ersten Weihnachtstag zu ihr. Sie steigen in Ober-Ramstadt in den Odenwald-Express und wechseln in Frankfurt in den Regionalexpress nach Neuwied, der sie über Wiesbaden nach Erbach bringt. Am nächsten Tag geht es wieder zurück.

Im Oldtimer unterwegs

Zusammen mit Teamleiter Amin Ali ist Daniel Horlitz einmal mit dem Zug bis nach Traunstein gefahren. Erst ging es mit dem Regionalexpress nach Aschaffenburg, von dort aus mit dem ICE weiter nach München. Zurück fuhren sie mit dem Auto – aber mit einem ganz besonderen. Denn Amin Ali ist ein ausgewiesener Oldtimer-Fan. Er hat in Traunstein ein echtes amerikanisches Sheriff-Auto abgeholt, einen großen Straßenkreuzer mit der Aufschrift „Sheriff“ und den typischen amerikanischen roten Leuchten auf dem Dach. Da hat sogar die deutsche Polizei gestaunt. 

Natürlich ist Daniel Horlitz dabei, wenn Amin Ali mit dem Oldtimerclub auf Tour fährt. Auch sonst ist er sehr aktiv. Zum Beispiel in der evangelischen Kirchengemeinde. Er trägt den Gemeindebrief aus, hilft gerne bei Gemeindefesten, wirkt beim Familiengottesdienst mit, etwa indem er die Gesangbücher hinterher einsammelt und die Kerzen löscht. Er ist aber auch im Haus aktiv, mäht gerne den Rasen und räumt im Winter den Schnee weg.

Für den Außenstehenden klingt das alles alltäglich. Daniel Horlitz, Thomas und Elvira Hötzel haben sich diese Normalität jedoch hart erkämpfen müssen. Besonders Thomas und Elvira, 1961 und 1962 geboren, sind noch in den alles bestimmenden Nieder-Ramstädter Heimen aufgewachsen, die wenig Raum für Individualität und Selbstbestimmung boten und abweichendes Verhalten auf entwürdigende Weise bestraften.

Umso erfreulicher ist die Entwicklung der drei Freunde, die heute ohne Bevormundung leben und sich einen weiträumigen Sozialraum erobert haben, in dem sie meist ganz ohne Assistenz unterwegs sind.

Foto oben (von links): Daniel Horlitz, Elvira Hötzel, Thomas Hötzel, Amin Ali

Daniel Horlitz an der Tür seines Apartments
Daniel Horlitz an der Tür seines Apartments

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